laut.de-Kritik
Wenn das Haus schon brennen muss ...
Review von Franz Mauerer"Everyone's Getting Involved: A Tribute to Talking Heads' Stop Making Sense" bezieht sich auf, der Titel verrät es schon, "Stop Making Sense" der Talking Heads. Das war zum einen der nun wiederveröffentlichte Konzertfilm von Jonathan Demme gleichen Namens und zum anderen der vor 40 Jahren erschienene Live-Soundtrack. Die Tracklist dieses Coveralbums entspricht der der ursprünglichen Version, also ohne die beiden Bonustracks des 2023-Remasters.
Man muss mit dem Werk von Talking Heads und dem Songwriting-Oeuvre von David Byrne nicht besonders vertraut sein, um dessen einzigartigen Swag anzuerkennen. Dementsprechend steht der Cover-Willige vor zwei Optionen: Nachspielen und dieses spezielle, leicht goofy Gefühl zu kopieren versuchen, oder das sperrige Material in die eigene Richtung zu biegen.
Da schadet eine Wahnsinnige wie "Psycho Killer - Miley Cyrus" keineswegs, die für Ehrfurcht und mangelndes Selbstvertrauen nicht bekannt wäre. Sie biegt das Stück weit Richtung Rihanna ca. 2010 und fabriziert vielleicht keine überlegene, aber eine interessante Version. Ganz gleich, wie man es findet, können "Heaven - The National" nachgewiesen auf genau eine Art Musik machen, nämlich die ihre. Das Großwerk von Byrne und Jerry Harrison hätte so organisch auf eines der besseren Berninger/ Dessner/ Devendorf-Alben wie "Trouble Will Find Me" gepasst. Das Original erkennt man an den Lyrics und zumindest noch einer vagen Idee, das war es dann aber auch.
Die Argentinier von "Slippery People - El Mato A Un Policia Motorizado" geben wie immer die coolen Schweine, nehmen dem Stück den Ska und hispanisieren es in die staubigen Abendstraßen von La Plata. Exzellent. Wer bei A24 Music auf die Idee kam, ausgerechnet DJ Tunez zu bitten, sich "Life During Wartime - Dj Tunez" anzunehmen, der hat eine Gehaltserhöhung verdient. Dem hypernervösen Original bläst er nigerianisches Dope ins Gesicht, bis die Nummer mit ihm in den afrikanisch informierten Ostküsten-Hip Hop einzieht. Würde einem Kamasi bestimmt gefallen. Nicht genug Beachtung in seinem eigenen Schaffen findet die spannende Wahl Jean Dawson, der seine Qualität gleich mal nachweist: "Swamp - Jean Dawson" ist das Country-eske Albumhighlight, was angesichts des radebrechenden, stolpernden Originals gleich noch bemerkenswerter ist.
"What A Day That Was - The Cavemen.", "Genius Of Love - Toro Y Moi (feat Brijean)" und "This Must Be The Place (Naive Melody) - BADBADNOTGOOD (feat. Norah Jones)" versammelt eine ganze Reihe von Bessermacher-Musiker, die sich auf vielen anspruchsvollen Cover-Kompilationen finden. Die Schar weiß, was sie macht, und hat vor allen Dingen Spaß in der eher konservativen, handwerklich blitzsauberen Verbindung ihrer Kosmen. "Once in a Lifetime - Kevin Abstract" war natürlich eine brutal schwer umzusetzende Wahl, an der Kevin dann pflichtgemäß krachend scheitert. Die Idee hinter seinem offenen, gen Himmel reckenden Sound erkennt man, sie geht halt nur nicht auf.
Für die weit oben genannte erste Option (imitieren) entschieden sich dagegen "Thank You For Sending Me An Angel - Blondshell" sowie "Found A Job - The Linda Lindas". Ersterer ist ein zugegeben sauschwierig zu greifender Song, die Lindas machen es stellenweise gar nicht so verkehrt, kriegen aber den Schmiss in den Tempowechseln so gar nicht hin. Girl In Red macht zurzeit eh nicht so viel richtig, und "Girlfriend Is Better - Girl In Red" reiht sich da ein. Bemüht, hätte man früher wohl ins Lehrlingszeugnis geschrieben. Auf "Take Me To The River - Lorde" wartete auch genau niemand. Byrne selbst tat sich am Al Green-Song schon schwer, Lorde fählt außer einer vamp-haften Pose wenig ein. Teezo Touchdown reiht sich in die komplett unerwartete Reihe von Musikern ein, und sollte vielleicht mal einen Gentest auf Byrne-DNA erwägen. Wie er "Making Flippy Floppy - Teezo Touchdown" im Griff hat und vom Bass bis zu seiner unverschämt sicheren Stimme den Laden beisammenhält, verdient ein Sonderlob. Eduardo Arenas kommt um einen Gentest noch herum, "Crosseyed And Painless - Chicano Batman" kriegen er und seine Bandkollegen trotzdem gut hin.
Manche können halt auch nichts, das gehört zum Leben dazu. In diese Gruppe reihen sich Paramore und Hayley Williams ein, die in ihrer üblichen Schülerband-Art "Burning Down The House - Paramore" nachspielen, bis jedem klar ist, dass sie keine Talking Heads sind. Williams versagt dabei in besonderem Maße, ihre Stimme zu dünn und zu wenig energisch in der Strophe, was sie durch Ad-Lib-Rocksirenenhaftigkeit zu kaschieren versucht. Wenn das Haus schon brennen muss, dann bleibt ruhig mal drin, so viel Strafe müsste für ein Verhunzen eines Klassikers gerecht sein. Zur Ehrenrettung haben sie sich den Song vielleicht nicht selbst ausgesucht, sondern wurden aus kommerziellen Gründen als relativ großer Name ausgewählt. Das Album macht trotzdem richtig Spaß, nicht zuletzt durch seine vielen Überraschungen in der Künstlerwahl.
5 Kommentare mit 3 Antworten
Lustig ich seh es genau umgekehrt: Paramores Version von "Burning Down The House" find ich richtig stark, während Miley "Psycho Killer" unerwartet wild verhunzt. Hayley holt da mMn sehr viel raus.
Die Stimme der kraftvollsten Sängerin mindestens der letzten dreißig Jahre als dünn zu bezeichnen bedarf schon einer besonderen Ignoranz, ob man sie mag oder nicht.
Iz kla
Liest sich nach einem Must-Listen, aber es ist Mauerer. Das macht alles eine Ecke bedrohlicher.
Diese Version von Psycho Killer ist mMn ein Kriegsverbrechen. Geht gar nicht.
Ja, so kann man es auch sagen. Das klingt wie eine unmotivierte alte Lady Gaga-Demo.
ganz fürchterlich, stimme zu.
Psycho Killer ist sowas von gurkig; Slippery People einigermaßen OK, Once in a lifetime gar nichts, Burning down the House ist in Ordnung. Danach verließ mich die Lust weiterzuhören..