laut.de-Kritik
'Ficken' und 'Scheiße' statt hohler Phrasen.
Review von Michael EdeleIch muss gestehen, dass ich mich dem Solodebüt von Daniel Wirtz zuerst sehr skeptisch genähert habe. Zum einen war ich nie großer Fan von Sub7even, zum anderen machte mir der beiliegende Pressetext mal wieder ziemlich zu schaffen. Toll, der Kerl singt also 'Ficken' und 'Scheiße' und so böse Dinge - so fuckin' what? Macht ihn das deswegen ehrlicher als andere deutschsprachige Sänger?
Mit Sicherheit nicht, doch hilft das dem Mann zumindest weitgehend, auf hohle Phrasen und dumme Klischees zu verzichten. Rückt ihn das deswegen in eine sprachliche Nähe zu Stephan Weidner (Ex-Böhse Onkelz)?
Seltsamerweise nicht, Daniel hat seine ganz eigenständige Art und Weise sich zu artikulieren, und vor allem der Pathos vieler Weidner-Kompositionen fehlt bei Wirtz eigentlich zur Gänze. Das liegt wohl auch daran, dass Daniel eher nach innen schaut und den Dreck dort erst mal wegräumen will, als sich über die Welt und all ihre Übel zu echauffieren.
Auch wenn das nun vielleicht nicht für alle nachvollziehbar ist, hat "11 Zeugen" textlich und von der Stimmung her doch was von Subway To Sally. Nur halt ohne Geige und nicht mit Eric Fish am Mikro. Unabhängig davon ist der Titeltrack eine gute Einstimmung auf den Rest des Album und bereitet auf die folgenden Texte vor.
So legt das etwas an Life Of Agony erinnernde "Ne Weile Her" auch gleich dermaßen von Grund auf ehrlich los, dass man fast den Hut vor dem Kerl ziehen muss. Doch aus Fehlern lernt man bekanntlich nur, wenn man auch die Konsequenzen zieht und wirklich was ändert.
Mit einem guten Schuss Humor zieht der Sänger in "Mon Amour" das Resumé einer eher suboptimal gelaufenen Beziehung mit der festen Absicht, den Neuanfang zu wagen. Wer kann von sich behaupten, nicht schon in einer ähnlichen Situation gewesen zu sein?
Dem folgt mit "Keine Angst" die erste Akustikgitarren-Ballade, die allerdings sehr an Echt erinnert. Da kommt später besseres Material, doch zuvor dreht "Wo Ich Steh" den Gashahn zum ersten Mal richtig auf. Der latent an Die Happy erinnernde Song hat einen absolut geilen Drive und auch einen tierisch coolen Text, der dermaßen einen auf dicke Hose macht, dass einen die Ironie dabei schon fast in den Arsch beißt.
Mit "Erster Stein" ist dann der ruhige Mittelteil erreicht. Der Track ist wieder eine schöne Ballade, allerdings mit Drums und Bass und einem alles andere als typischen Text, in dem Daniel mit der Bigotterie in der heutigen Gesellschaft abrechnet.
Die ruhigen Töne bleiben mit "Heute Weiß Ich" erhalten. Der Songs basiert einmal mehr allein auf Gitarren, leichtem Klavier und Daniels charismatischem Gesang. Irgendwann sind die wilden Zeiten einfach vorüber und die Selbstzweifel gehören der Vergangenheit an.
Wirklich melancholisch wird es mit dem ebenfalls sehr ruhigen "Richtig Weh". Einmal mehr spricht der Sänger gekonnt die Problematik des Endes einer langen Beziehung an, wenn man weiß, wo und wie man den anderen treffen kann, wird es meist erst wirklich bitter. Der kurze Wutausbruch passt jedenfalls perfekt in den Song rein.
"Sag Es" setzt nach einem erst ruhigen Beginn schließlich auch wieder auf verzerrte Gitarren, ohne den ruhigen, melancholischen Momenten ganz abzuschwören. Wieder fühlt man sich ein wenig an die Lyriks von Eric Fish erinnert.
Kurz vor dem Ende setzt "Weil Ich So Bin" noch mal auf Power und lässt sogar in Sachen Drums mal richtig was krachen. Mit einer Prise Humor erfolgt der Rückblick auf alles, was Daniel bisher gesagt hat und die Möglichkeit, sich überhaupt zu ändern. Gehört vom Drive her im Sommer in jede Karre.
Den ruhigen, besinnlichen Ausklang stellt "Wieder Mal Ne Nacht", der durch die Gitarre und den Marsch-Takt auf der Snare ein wenig was von nem Western-Soundtrack hat. Dabei verzeiht man auch die leichten Streicher und die anhaltende Melancholie, denn zum Schluss lässt Daniel uns doch noch einen hellen Schimmer am Horizont.
9 Kommentare
Absolut großartiges Album....
Freu mich schon auf die Tour.
Geniales Album..
Sub7even hat mir eher weniger zugesagt.. aber er Solo.. wahnsinn tolle Texte.. tolle Musik.. prima zum abschalten und nachdenken.
Stimme dem Review von Michael Edele im Großen und Ganzen zu, bis auf seine Feststellung: Daniel Wirtz seine Ausdrucksweise würde ihn nicht in eine sprachliche Nähe zu Stephan Weidner rücken...
Die sprachliche und auch sonstige Nähe zu seinem "Vorbild/Kollegen/Mentor bzw. zu seinem großen Bruder was auch immer" ist ja nun wirklich nicht zu übersehen, was ja auch in Ordnung geht... ohne ihm seine Individualität absprechen zu wollen...
Die Review ist wirklich streckweise zu unobjektiv geschrieben. Die Vergleiche mit Echt und Die Happy sind nicht nur der Auffassung der Masse nach völlig unpassend, die vermeintlichen Ähnlichkeiten müssen unter Einfluss von Drogen entdeckt worden sein. Ansonsten solide, Daniels Songs sind derart eingehend, man kann kaum an der Sache die ein Track verkörpert vorbei sprechen. Man hört hin, man schreibt nieder, man liegt meist richtig.
Ein wahnsinnig gutes Debütalbum, welches durch "Erdling" noch getoppt wurde. Auf "Akustik Voodoo" bin ich äußerst gespannt
Meine Meinung zu "11 Zeugen": http://klangkino.blogspot.com/2011/07/musi…
Sub 7even mochte ich nie so richtig und habe wohl deshalb den Wirtz ne ganze Weile ignoriert. Nun doch mal angehört und so schlecht isser gar nicht. Sehr vielschichtige Rockmusik. Muss man allerdings ein paar Mal gehört haben bis es richtig zündet.