laut.de-Kritik
Retrorock zwischen Würzburg und Nashville.
Review von Jürgen LugerthSpätestens seit dem kometenhaften, aber auch Hype verdächtigen Aufstieg der multinational besetzten Blues Pills haben so genannte 'female fronted' Rockbands, vor allem wenn sie sich dem derzeit angesagten Retro- oder Vintage-Rock widmen, gute Chancen. Da darf man auch mal ganz profan aus Würzburg kommen, vor allem, wenn man eine Frontsirene aus den USA am Mikrofon hat und dazu das neue Werk in Nashville, Tennessee aufnahm. Das sorgt natürlich für mehr Glaubwürdigkeit.
Auch das Artwork der neuen Scheibe "Blue Eyes" lässt Vergleiche mit besagten Bluespillen zu, bedient man sich doch einer ähnlichen hippiesk psychedelischen Farbgestaltung mit feen- respektive hexenhaft langhaarigen Frauen als optischem Dreh- und Angelpunkt. Damit sind die Parallelen aber weitestgehend erschöpft. Denn während die einen ihrem Bandnamen entsprechend vor allem über den Blues Zugang zu ihrem Sound finden, bedienen sich Wolvespirit trotz des 'Blue' im Albumtitel bei einer wesentlich breiteren Palette aus der Vergangenheit der Rockmusik.
Inzwischen ist es schon langweilig, immer wieder die alten Eckpfeiler Deep Purple, Led Zeppelin, Uriah Heep etc. als Haupteinflüsse einer jungen Band zu identifizieren. Aber hier lässt es sich kaum vermeiden. Trotzdem mischen Wolvespirit aus diesen Einflüssen ein nicht uninteressantes Klangbild mit durchaus eigenen Akzenten zusammen.
Zuerst fällt auf, dass die Keyboards von Oliver Eberlein ziemlich grossen Einfluss haben und oft im Mittelpunkt der Songs stehen. Bereits der Opener "You Know That I'm Evil" wird von einer flammenden Orgel dominiert, gegen die die restliche Band und die Sängerin anzukämpfen haben. Das ändert sich beim zweiten Stück "I Am What I Am", das mich irgendwie an White Spirit erinnert, die schon während der legendären 'New Wave Of British Heavy Metal' bei Deep Purple geklaut haben. Jedenfalls gibt es hier mehr Gitarre, und auch die Stimme ist besser zu hören.
Weiter gehts mit kräftig Old School-Deep Purple-Referenzen, ziemlich dichtem Sound und ordentlich Power. Erst der Showstopper "Soul Burn", eine Ballade, offenbart erste Schwächen: Hier kommt Sängerin Deborah Craft an ihre Grenzen. Zu wenig Geschmeidigkeit und Feeling und eine unangenehme Angestrengtheit. Ein Manko, das im weiteren Verlauf noch deutlicher zutage tritt.
Zunächst bietet "Space Rockin Woman" einen Mix aus B-52's-Feeling und Sixties-Surf-Sound - recht unterhaltsam. Genau wie das quirlig bunte Video dazu. Gleich darauf beweist die zweite Ballade "Road Of Life", dass es durchaus auch mit etwas mehr stimmlichem Feingefühl geht. Danach werden bei "Witchcraft" die Deep Purple-Einflüsse fast übermächtig und der Rest der Platte schleppt sich mehr oder weniger bis ins Ziel.
Alles nicht schlecht, aber den überbordenen Lobeshymnen, die im Promozettel, in einschlägigen Rock-Magazinen und im Netz zu lesen sind, mag sich ein in tausend Schlachten erprobter Altrocker nun nicht anschließen. Eine ganz nette Rockplatte ist "Blue Eyes" auf jeden Fall, ein Werk für die Ewigkeit sicher nicht.
1 Kommentar
Fand "Free" deutlich besser, aber ist dennoch eine solide Scheibe geworden