laut.de-Kritik
Pop-Fasching am Lagerfeuer, und alle sind dabei.
Review von Alexander EngelenTeil Eins der "Carnival"-Reihe liegt mittlerweile zehn Jahre zurück. Und dieses Monumentalwerk ist keinen Deut schlechter geworden. Wer was anderes behauptet, soll mir spontan eine bessere Antwort auf die Frage geben, welches Album der letzten zehn Jahre mit größtmöglicher Qualität den breitmöglichsten Hörer-Konsens findet. Eben.
Vieles hat sich seitdem freilich verändert, das weiß auch Wyclef: "The whole world is in panic mode!" Weshalb es mit System Of A Downs Serj Tankian, bedrohlichen E-Gitarren, Sizzla und Clefs Vorzeige Battle-Raps auch gleich voll auf die maskierte Fresse gibt ("Riot"). Die erste Lektion ist schnell verstanden: Wyclef ist unten mit den Hip Hop-, Rock'n'Roll- und Reggae-Boys.
Was wiederum vor allem den Popboys'n'girls gefällt, insbesondere im Jahr 2007. Zum locker-flockigen Gitarren/Beat-Geplänkel von Wyclefs Politpop-Entourage Akon, Niia und Lil Wayne lässt sich nämlich ganz formidabel das Haupt wiegen.
Wyclef Jean ist und bleibt eine der wenigen akzeptierten Schnittstellen zwischen genannten Genres. Wenn der Mann aus Haiti in die Saiten haut, dann trifft man sich in der Mitte. Immer mit einem Fuß auf der Habenseite. Denn übelnehmen kann man dem Fugees-Mastermind nun wirklich nichts. Sogar "Hips Don't Lie", erklärte er kürzlich im Interview, habe ja einen zutiefst politischen Inhalt.
Sizzla gibt sich auf poppigem Gute Laune-Reggae handzahm ("Welcome To The East"), Paul Simon betreibt moralisches Lobbying für das Tempolimit ("Fast Car"), T.I. fragt sich auf Schunkelbeat rechtzeitig zur Inhaftierung: "Where did the hope go?", und sogar Louis Farrakhan darf die Bratsche auspacken. Mit Onkel Wyclef setzt sich eben jeder gerne gemeinsam ums Lagerfeuer und verlangt, losgelöst musizierend, eine bessere Welt.
Der Weltmusikansatz des ersten Albumfaschings bleibt dabei aber irgendwie auf der Strecke. Nach Meisterwerken wie "Yele", "Guantanamera" oder "Sang Fézi" sucht man hier vergebens. Tatsächlich ist "Carnival II" dann interessant, wenn Wyclef Popgrößen kurzzeitig zu Refugee Allstars adelt. Gemeinsam mit Shakira lässt Clef zu Tempiwechseln und harmonischen Beatbrüchen die Hüften kreisen ("King & Queen"), und auch Norah Jones fühlt sich auf einer von Herr Jeans patentierten Klampfenballaden sichtlich wohl ("Any Other Day").
Dem zweiten Teil von "911", der zu Recht äußerst erfolgreichen Kollaboration mit Mary J. Blige, fehlt es trotz bezaubernder Mary traurigerweise an Power ("What About The Baby"). Auch "Heaven's In New York", eine gewollt balladesken Liebeserklärung an den Big Apple, lässt das gewisse Etwas vermissen, das ja eigentlich immer den Wyclef-Sound ausgemacht hat.
Zum Abschluss der Maskenparade präsentiert Clef dann aber zum Glück wieder genau das, was sich Fans des ersten Carnivals insgeheim gewünscht haben. Auf knapp 13 medleyartigen Minuten komprimiert er die Stimmung und Offengeistigkeit von 1997 und feiert auf drei ineinanderlaufenden Soundskizzen das Zehnjährige, ohne auch nur einen Augenblick aufgesetzt zu klingen.
4 Kommentare
Der Rezensionstitel ("Pop-Fasching am Lagerfeuer, und alle sind dabei.") ist ja nur noch geil!
Sizzla und Serj Tankian als Combination? das muss ich mir mal geben
Ich hab bis jetzt nur im Laden reingehört, aber muss dem Artikel widersprechen! Ich finde, dass das Album dem Vorgänger in nichts nachsteht. Wyclef ist einer der wenigen, wenn nicht sogar der einzige, MCs den man die Zusammenarbeit mit "Popstars" gerne und großzügig verzeiht und der dann auch noch großartiges genreübergreifendes Zeug zustande bringt! Ausserdem kann man über den Preis von ca. 14€ überhaupt nicht meckern! Ich werds mir auf jeden Fall holen und lieben!
Hab mich dann aber erstmal doch für 8 Diagrams vom Wu-Tang Clan entschieden...
@acco («
Hab mich dann aber erstmal doch für 8 Diagrams vom Wu-Tang Clan entschieden... »):
ist auch die viel bessere entscheidung