laut.de-Kritik

Nie war Rock'n'Roll so Hip Hop.

Review von

Mit "amazing and mystifying chemical tricks" droht der Untertitel von "Radioactive" ganz unerwartet. Naturwissenschaftlich-intellektuelle Höhenflüge à la GZA müssen Yelawolfs Trunk Music-Jünger trotzdem nicht befürchten. Eher schon die Einlösung des Versprechens: "You'll never see rock'n'roll so hip hop like I did."

"Look, Mama! No hands!" Mit wahrhaft apokalyptischer Stimmung untermalt Will Power die "Radioactive Introduction". Grelle, heulende Töne fusionieren mit unangenehmen Wabereien und der monotonen Stimme eines Nachrichtensprechers zu einer durch und durch unerfreulichen, beklemmenden Kulisse. Yelawolfs grimmige, temporeiche Raps, in denen neben allgegenwärtigem Zorn stets eine Spur Irrsinn mitschwingt, passen prächtig in dieses finstere Szenario: "Dope man choppin' up lines you don't sniff / You read 'em. I'm bringin' back booklets and hookless lyrics."

Hookless - dabei wäre der Knabe aus Alabama mal besser geblieben. Während seine ohne Punkt und Komma, dafür aber mit einer doppelten Ladung Rhythmusgefühl in die Runde geratterten Verse meist keinerlei Wünsche offen lassen, beweist Yelawolf auf "Radioactive" nicht unbedingt ein Händchen für den zwingenden Chorus.

Ob Kid Rock in "Let's Roll", R'n'B-Schmalz in "Good Girl" oder mittelprächtiger ("Write Your Name") bis schauderhafter ("Made In The U.S.A.") Frauengesang: Die Hookline-Gäste hätte sich Yelawolf - mit Ausnahme von Lil Jon, der in "Hard White (Up In The Club)" das Crunk-Fass wieder aufmacht - allesamt schenken können.

Anders sieht es schon bei den Rap-Features aus, darunter Killer Mike und natürlich Shady Records-Boss Eminem. Insbesondere das Wiedersehen mit Mystikal, der einem in "Get Away" das Kantholz seiner Stimme in den Gehörgang rammt, gestaltet sich über die Maßen vergnüglich. Wo hat der eigentlich all die Jahre gesteckt? "20 plus 20 still spittin' 'em out / Still piss on your porch and still shit in your house."

Doch auch ganz alleine erspittet sich der Gastgeber mühelos Respekt. Mutter Yelawolf mag einiges verkehrt gemacht haben, andernfalls lieferte seine Kindheit ihrem Sohn kaum derart viel unerfreuliches Material. Doch hört, "what a son of a bitch my mama raised into a rapper"!

"Growing Up In The Gutter", damit kennt sich Yelawolf hörbar aus. Er präsentiert sich als "product of a working environment", erzählt wahlweise seine eigene oder die Geschichten der kleinen Leute von nebenan ("Write Your Name"). "Better be confused with the punchlines and bars that I lunch."

Schade nur, dass die Beats der Qualität und insbesondere der Bösartigkeit der Lyrics zu oft nicht gerecht werden. Bei "Radio" mag es ja noch Sinn ergeben, die Aufforderung "Let 'em shine, let 'em rhyme, let 'em hustle, let 'em grind" in ein Mainstreamradio-taugliches Gewand zu stecken. Warum aber nach deutlich schärferem Einstieg spätestens ab der Hälfte der Laufzeit derart brave Klavier-, Streicher-, Spieldosen- oder Akustikgitarrenklänge die Oberhand gewinnen müssen, erschließt sich nicht unmittelbar - zumindest nicht, betrachtet man zugleich Yelawolfs Texte und Gebaren.

Mehr Hardcore-Geschrappe wie im wütenden "Slumerican Shitizen", mehr Dirty South-Attitüde wie in "Hard White (Up In The Club)" oder mehr alptraumhafter Brachial-Sound wie in "Growin' Up In The Gutter" hätten Yelawolf deutlich besser zu Gesicht gestanden. Er sagts - in "Let's Roll" - doch selbst: "I'm just a kid that rocks, I'm just a boy with a dream."

Trackliste

  1. 1. Radioactive Introduction
  2. 2. Get Away
  3. 3. Let's Roll
  4. 4. Hard White (Up In The Club)
  5. 5. Growin' Up In The Gutter
  6. 6. Throw It Up
  7. 7. Good Girl
  8. 8. Made In The U.S.A.
  9. 9. Animal
  10. 10. The Hardest Love Song In The World
  11. 11. Write Your Name
  12. 12. Everything I Love The Most
  13. 13. Radio
  14. 14. Slumerican Shitizen
  15. 15. The Last Song

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10 Kommentare

  • Vor 13 Jahren

    Höre gerade sein erstes Album Creek Water und es klingt echt cool,schöner southern rap aus Alabama.

  • Vor 13 Jahren

    Toller Rapper, spittet und klingt wie Slim Shady zu seinen besten (Anfangs-)Zeiten, kein Wunder also, dass Em den gesigned hat.

    Ganz gutes Album, zumindest sehr vielfältig, stressige Synthie/Dirty South-Beats, Frauenhooks, Crossover...alles dabei! Teilweise auch eklige Beats wie Growin Up In The Gutter, der Sound flext mir echt die Hirnhaut weg, Tinnitus-Style.
    Radio finde ich übrigens geil, was ein Ohrwurm :D japp, extrem mainstreamig, könnte von Nelly oder den Gym Class Heroes sein, aber schöner Pop/Rap-Mix, finde ich. Sollte er auf jeden Fall als Single raushauen, Sure Shot!

  • Vor 13 Jahren

    fetter rapper. das wusste ich seit tag 1. warum auch immer die amis ihn soviel haten...

  • Vor 13 Jahren

    trunk muzik war viel besser (aber auch nicht überragend)

  • Vor 12 Jahren

    klar war trunk muzik besser, da hatte ja auch Em noch nicht seine Hand drüber. War mir schon klar, das es auf ShadyRecords bergab geht. Hätte Tecca den jungen mal nach Strange geholt (yelas part auf worldwide choppers war ja nur geil). Oder Reakwon nach Aftermath. Oder wär er einfach bei Ghet-O-Vision geblieben.

    @PhoenixXx : echt? irgendn spezieller Künstlerkreis oder so du-und-ich-amis? Weil, er hat ja schpn ne menge guter leute bzw. großer leute gefeatured. Bun B, Raekwon, Thugga, Game, Big Boi oder Wall.