laut.de-Kritik
Im Rhythmus fühlt man sich sofort zuhause.
Review von Franz Mauerer"Praise A Lord Who Chews But Which Does Not Consume (Or Simply, Hot Between Worlds)" metastasiert als Albumtitel zwar allzu sehr, gewohnt gelungen ist der klammerlose Teil des Titels des neuen Albums von Yves Tumor aber nichtsdestoweniger. Und mindestens ebenso klar ist bei der Krebszelle, dass man vorher nie so recht weißt, was man musikalisch erwarten darf.
"God Is A Circle" eröffnet den Reigen und überzeugt schlagartig. Eine dunkle, zunächst unterkühlte Nummer, die nicht zuletzt dank Stöhn-Sample und Tumors laszivem Sprechgesang ordentlich an Fahrt gewinnt. Man fühlt sich im Rhythmusgefühl des Amis sofort zuhause, er spielt auf dem Opener viele seiner Stärken aus, die bislang bewusst unter vielen Schichten hauchdünn verborgen blieben. Wo sie früher nur stellenweise durchschienen, kennt "God Is A Circle" einen solchen Schleier nicht und offenbart sich von Anfang an.
"Lovely Sewer" kriecht aus dem Kanal der 80er, eine Kate-Bush-eske Nummer, die Twin Shadow so wohl auch nehmen würde. Mangels zündender Ideen nur solide, was nicht anders für den leicht angegrungeten Alt-Rock von "Meteora Blues" gilt. Der präsentiert sich verspielt und routiniert gleichzeitig, und zwar jeweils an den Stellen, wo er das jeweils andere sein sollte. Der Sound zieht zu voraussehbar an den schematischen Sollbruchstellen an, Tumors Gesang fügt sich nicht so recht ein.
Besser ist "Praise ...", wo Tumor sein eigenes Ding durchzieht wie auf dem dröhnenden "Parody", das ein klassisches Ende verweigert, und der ebenso vom Bass zehrenden Berg-Und-Tal-Fahrt "Heaven Surrounds Us Like A Hood". "Operator" fällt zu simpel aus und krankt nicht als einziger Song ("In Spite Of War") daran, dass Noah Goldstein und Alan Moulder hier trotz ihrer langjährigen Erfahrung eine Art Rock-Album wie ein Dance-Album produziert haben – clean und slick, es fehlen Kanten und Ecken und der Bass ist weit vorn, was nicht immer die richtige Wahl war; dafür ist ein Track wie "Echolalia" zu zittrig. Egal, wie oft Tumor PiL als Vorbild beschwört, er spielt auf einem völlig anderen Stern, der manches Mal eine andere Atmosphäre bräuchte.
Dass "Praise ..." insgesamt trotzdem gut ausfällt, liegt nicht zuletzt am starken Schluss, der mit "Fear Evil Like Fire" eine selbstbewusste, komplexe Wave-Rock-Nummer vorlegt, die an allen Enden nach Tumor riecht und trotzdem so viel anders als sein bisheriger Output ist, zumal der Text bei diesem Track emotional authentisch sitzt. "Purified By The Fire" ist näher dran an den vorherigen Alben und insbesondere an Tumors LA-Phase, alle Brainfeeder hätten ihre helle Freude an dem Ding – und das völlig zurecht.
Der Closer "Ebony Eye" lässt sich als angejazzter, gleichwohl epochaler Pop beschreiben, und wie nicht anders zu erwarten, steht Yves die große Geste ganz hervorragend. Langweilig ist "Praise ..." selten, aber auch ein Bouquet braucht gescheite Blümchen, was hier nicht immer hinhaut. Unbedingt positiv zu konstatieren ist aber die scheinbar unendliche musikalische Weiterentwicklung dieses immer noch besonderen Künstlers.
1 Kommentar
Ist eins meiner Highlights dieses Jahr! Weiß jemand zufällig, ob der sich live lohnt?