laut.de-Kritik
Zwischen Chanson und Pop: Koketterie ist hier mal kein Laster.
Review von Erich Renz"Und ich hab mich wieder blamiert, ich kannte Zaz nicht." Hört man da bei Claus Kleber, dem Connaisseur und heute-Moderator, ein Schuldbekenntnis der Unkenntnis?
Isabelle Geffroy, so Zaz' bürgerlicher Name, kam von nirgendwo her, von einer Straße am Montmartre in Paris. Bei Engagements in Sibirien, im Maghreb und in Mittelamerika lernte sie die dortigen Genres kennen, die sie zu einem Spielraum für ihr zukünftiges Songwriting gestaltete. Nur logisch, dass seither ihr Anspruch ist, kosmopolitisch oder - frei nach Lennons Schreibe - ein "Nowhere Girl" zu sein.
Auf dem aktuellen gleichnamigen Album "Zaz" deckt sie mit ihrem Produzent Kerredine Soltani die offenen Poren des kränkelnden Chansons mit Swing, Gypsy, Scat, Jazz und Pop ab. Alle harmonischen und epischen Argumente auf dieser Platte sprechen für die dreißigjährige Chanteuese.
"Je Veux", erste Single und Blaupause für Zaz' Liedverständnis, ist der Mittelteil des Chanson-Triptychons - das "Les Passants" mit einem Glockenspiel ankündigt und "Le Longe De La Route" mit Akkordeon abschließt. Die Sängerin beweist in diesem Lied, das Herz am rechten Fleck zu tragen und Amüsements als Freude an der Freiheit zu begreifen. Ihr vokaler Vortrag gibt ihr Recht, die Musik ist gut genug, um aus dem Moment heraus Ungezwungenheit zu erzeugen und gleichzeitig einen mitsingbaren Refrain zu entwerfen.
Freilich fällt es auf, dass Zaz gerne zu Scat-Lautmalerei jegliche sprachliche Logizismen mit einem "do-wap" über Bord wirft. Wenn man so will, parodiert sie als nächstes das, was man noch vorher in ihren Einflüssen hörte. Sie stellt Jazz auf den Kopf, ahmt mit ihrer Stimme Instrumente nach, verbindet die Einheiten lieber, als jede einzeln für sich stehen und klingen zu lassen.
Anders gesagt, ist die Musik von Zaz die Koexistenz zwischen Chanson und Pop, zwischen französischem Traditionsmaterial und vorderster Radiomusik-Kategorie. Dabei muss sie nicht mal nach Edith Piaf klingen, wenn sie das sakrale "Dans Ma Rue" der Grande Dame interpretiert.
Im letzten Moment, in edler Einfalt und stiller Größe, zieht der unfrankophonste Song die frankophilste Aufmerksamkeit auf sich und mit leiser Würdigung den Hut vor dem Gesamtwerk. "Eblouie Par La Nuit" bietet sich als absolut definierte Minimalmusik mit zweisträngigen Tendenzen an.
Die Instrumentierung der präzisen Begleitung erinnert an Cat Powers "Dirty Delta Blues Band" auf dem Album "Jukebox", besonders Raphaël Haroches angezerrtes Gitarrenvibrato. Der Gesang, im Klangmuster so weit von der Band entfernt, aber nicht entrückt, entwickelt ein eigenes Stillleben, dem man allein oder im musischen Kontext Tribut zollt.
Der Grund für die Errettung des Chansons ist die globale Umgarnung von Zaz. Und Koketterie ist hier wirklich mal kein Laster.
4 Kommentare
Späte Rezension, was aber nichts an der Klasse des Albums ändert.
Das Album ist zwar mittlerweile schon wieder aus meinem CD-Player verschwunden, aber es hat tatsächlich schon einige Läufe hinter sich. Vermittelt jedenfalls 'ne Menge Spielfreude
Gruß
Skywise
hinkt ganz schön hinterher die gute Redaktion. Ein wirklich schönes, lebhaftes Album. 4 Punkte passen.
Mais ou sont les bagages?
http://www.youtube.com/watch?v=CVJ-W6LioB8