laut.de-Kritik

Wer nicht mal den Ton trifft, sollte keinen Schusswaffen-Rap machen.

Review von

Montagmorgen, ich komme gut gelaunt in die Redaktion, da liegt schon das erste Rezensionsexemplar auf dem Tisch. Mir sagt zwar der Name nicht wirklich was, aber das Artwork macht einen sympathischen, weil rohen ersten Eindruck: Zwei selbstsicher posende Jungs, die mich entfernt an Mobb Deep erinnern und ein Bandname, der mich konkret an meine eigene Scharfes-S/Doppel-S-Schwäche erinnert: "Strassenspieler".

Darunter die Pseudonyme der Player: O.G.P. und Schmaler Schatten. Moment, "Schmaler Schatten"? Entweder macht da einer in Zeiten, in denen Rap mehr Muckibude als Aufnahmekabine ist, absichtlich auf Hühnerbrust und beweist damit gehörig Selbstbewusstsein. Oder hier offenbart sich eine zusätzliche Englischschwäche und mangelhafter Einfallsreichtum, indem man Eminems Alter Ego kurzerhand brutal eindeutscht.

"Never judge a Tonträger by it's Verpackung", denke ich mir und lege die Straßen- in den Plattenspieler. Es beginnt mit einem Telefongespräch der Protagonisten. Telekommunizierte Selbstbestätigung, Rapper-Usus, dann ein Klingelton. Ach nein, das ist der Beat vom ersten Song! Synthie? Check! Snare? Check! Bass? Check! Neues? Nix. Dann erreichen die ersten Lines meinen Kopfhörer: "Willst Du wissen, wie man Kohle macht? Weißt Du, wie man auf den Straßen spielt? Willst Du Dir Frauen und Respekt verdienen? Wir zeigen Dir, wie's geht." Okay, habe verstanden.

Ironie und/oder Innovation kann ich gutgelaunte Montagmorgentucke mir in den kommenden 17 Stücken wohl abschminken. Aber gut, vielleicht liefern mir O.G.P., der Schatten und ihre Osnabrücker Hängerkumpels stattdessen ja ein knallhartes und mitreißendes Gangster-Tutorial, das mir meine monogamen Bauspar-Flausen austreibt. Mal kucken.

Was jedoch folgt, ist eine großformatige Fehlanzeige. Die plakativ proklamierte Postleitzahlen-Attitüde rund um die 4.9.0 lässt zwar keine Zweifel daran, dass die Jungs bis Drei, aber doch darüber, ob sie Eins und Eins zusammenzählen können. Denn kein Mensch braucht 2008 so monotonen, einfallslosen und durchgekauten Schmalspur-Mafiosi-Output. Wenn ihr Euch das Leid von der Seele rotzen wollt, geht bitte Laufen oder zum Boxverein. Aber boxt bitte nicht laufend Hip Hop in die Fresse. Der kann auch nix dafür.

Während die Produktion versucht, an die aktuell ausgebuchte Monster-Elektro-Lok anzukoppeln, sich dabei aber höchstens als Dritte-Klasse-Wagon ganz hinten einreihen kann, rangieren die verbalen Skills der beiden – und eigentlich auch aller Feature-Gäste – zwischen überschau- und übersehbar. Nicht selten lassen quälende Gesangsexperimente die Kiste dann komplett entgleisen. Wer noch nicht einmal den Ton trifft, sollte keinen Schusswaffen-Rap machen.

Einzig Basstard und sein irrwitziger Gummizellen-Flow verleiht "Ihr Kommt Nicht Davon" eine zumindest vergleichsweise interessante Note. Alle anderen Tracks kriegen ums Verrecken den Arsch nicht hoch. Geld, Weiber, Clubs, Drogen, Stress und zur Abwechslung etwas Mehrsilbiges: Integrationsprobleme. In thematisch so dünner Luft sollte man dringend Zusatz-Qualifikationen wie die kompromisslose Eisenfresser-Einstellung von Automatikk oder die technische Finesse eines Kollegah mitbringen.

Andernfalls bleibt nicht nur der Schatten schmal und der O.G. Pi mal Daumen überflüssig, sondern auch mir nichts anderes übrig, als diese Platte eine uninspirierte Kopie der abgenudelten Imitation des öden Plagiats von vorvorgestern zu schimpfen. Da sind Jugend und Hungrigkeit keine Ausrede. Im Gegenteil. Nächster.

Trackliste

  1. 1. Einleitung
  2. 2. Wie Es Geht
  3. 3. Pass Auf Was Du Tust (feat. GPC)
  4. 4. Sie Ist Alles Was Ich Hab
  5. 5. Es Ist Das Weed (feat. 4.9.0 Friedhof Chiller & Sez 1)
  6. 6. Mein Viertel Meine Strassen
  7. 7. Wir Sind Eins (feat. RapKilla)
  8. 8. Drogen & Waffen (feat. Jayson, Uzi & Blokkmonsta)
  9. 9. Ihr Kommt Nicht Davon (feat. Basstard & Schlafwandler)
  10. 10. Alte Zeiten (feat. Sicc)
  11. 11. Skit
  12. 12. Wachhund
  13. 13. Nicht Zu Übersehen
  14. 14. Teebeutel (Skit)
  15. 15. Teebeuteln
  16. 16. Traumfrau
  17. 17. Zwischen 2 Welten (feat. Schlafwandler)
  18. 18. O.G.P
  19. 19. Jung & Hungrig
  20. 20. Ausleitung
  21. 21. Wochenende (Bonus Track)

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54 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    sehr geile review ... einfach nur hamma

  • Vor 15 Jahren

    der arme hip hop kann sich nicht wehren :D ...

  • Vor 15 Jahren

    Bin überrascht, dass distributionz tatsächlichc mit ner CD für laut rübergekommen ist...
    4.9.0 rockt ohne ende. CD wird mit sicherheit angehört, dafür sind die feats einfach zu geil. ich persönlich finde ja, dass in Sachen authentischer Straßenrap nix an den Jungs auf 4.9.0sna vorbei geht.
    Zwar gefallen mir die Friedhof CHiller auf grund der näheren Ausrichtung am H6rr6rk6re doch etwas besser aber da Jayson seit 100 jahren am soloalbum bastelt, Sicc wieder stationär einsitzt und Schlafwandler sich mit sicherheit auch die letzten verliebenen Gehirnzellen weggekifft hat is das wohl für die nächste Zeit das, womit vorlieb zu nehmen ist...

  • Vor 15 Jahren

    @lautuser (« Ja, wie gesagt, hatte bei youtube nicht wirklich was von denen gefunden. Jetzt hab ich aber eh kein Bock mehr mir mehr anzuhören.. ;) »):

    sei ma unbesorgt, lauti...490 is eh nix für hiphopper ;)

  • Vor 15 Jahren

    @Sodhahn (« @lautuser (« Ja, wie gesagt, hatte bei youtube nicht wirklich was von denen gefunden. Jetzt hab ich aber eh kein Bock mehr mir mehr anzuhören.. ;) »):

    sei ma unbesorgt, lauti...490 is eh nix für hiphopper ;) »):

    Ja, scheint mir auch so.

  • Vor 15 Jahren

    Also man sollt eine Mainstream und eine Untergrund bewertung machen, das album is nich schlecht, feier ich eigentlich sehr, vorallem der o.g.p einzeltrack der hammer

    also von mir aus ****