laut.de-Kritik
Schizoide Klanglandschaften aus San Francisco.
Review von Martin LeuteIn "Everyday There's Something Stupid" entfacht der Synthesizer zu dumpfen Drums eine sphärische Klanglandschaft mit Retrocharme, Kevin Litrows Gesang dringt nicht ganz an die Oberfläche. Es klingt improvisiert, wenn im zweiten Teil des Stückes ein Gespräch von dem flirrenden Synthesizer überlagert wird und diverse Samples und elektronische Einlagen zum Einsatz kommen.
Merkwürdiger Sound, den uns dieses Trio aus San Francisco mit seinem Erstling serviert. Ambient Lo Fi- oder Elecronic-Psychedelic Pop bietet die Pressinfo als Kategorisierung an. Wie dem auch sei, 60 Watt Kids Einflüsse bewegen sich irgendwo zwischen dem Psycho-Folk von Animal Collective, dem Artpop der Talking Heads und der Experimentierfreudigkeit eines Brian Eno.
Melodien deuten sich oft nur an, um sich schließlich in den unterschiedlichsten Klanglandschaften zu verlieren, aber ohne in eine exzessive Atonalität zu verfallen.
Ein gezupftes Gitarrenmotiv liegt "Ocsinarf Nas" zugrunde, der Gesang steht der Instrumentierung gleichwertig gegenüber und scheint sich immer wieder in den Klangverdichtungen aufzulösen. In "Now" entspinnt sich mit verzerrtem Gesang eine Melodie, die aber vom eigenwilligen Keyboardspiel konterkariert wird.
Das schöne "Home Is Where The _ Is" überrascht mit klassischem Songwriting zur gezupften Akustischen, die elektronischen Arrangements ordnen sich erstmals der Melodie unter. "Chem Trials" versprüht mit dem entrückten Gesang Litrows und den Orgelklängen einen sakralen Charme, "I Need A Job" stellt sich zur blechern geschlagenen Gitarre als schräger, urbaner Folksong dar; im anfänglich sentimentalen "North American Road" kommt gar eine Mundharmonika zum Einsatz.
Nach diesem äußerst harmonischen Intermezzo leistet die Band wieder der Dissonanz und Konfusion Vorschub, bis in "Sea Salt And Pepper Jack Cheese" nur noch in Hall gelegte Wortfetzen und düstere Samples zu hören sind.
Da erstaunt es, dass die Zartheit des Gesangs und der Instrumentierung in "Family" nicht gebrochen wird. Aber "It Was A Time Of Mad Scientists" erzählt dann klaustrophobisch von der Fatalität des Fortschritts, der schließlich im kriegerischen Unheil mündet.
Die Platte schließt mit "End Of The War" ab, über trunkenes Stimmengewirr legen sich sanft Akkordeonklänge und hoffnungsfroher Gesang, in den am Ende alle mit einstimmen. Der geneigte Hörer wird anschließend noch mit einem klar strukturierten Instrumental als Bonustrack beglückt.
Das gleichnamig betitelte Debüt der Kombo 60 Watt Kid kommt mit all seinen Irritationen absolut konsequent daher, wenn man zu dem Schluss gelangt, dass es das moderne, schizoide Großstadtleben thematisiert. Ein musikalisches Chaos, dessen System gerade in den Brüchen liegt.
Freunde überschaubarer Songstrukturen werden ihre Mühe haben, sich auf das einstündige, nostalgisch anmutende und experimentelle Ereignis einzulassen. Und in der Tat hätte eine manchmal weniger ambitionierte Herangehensweise das Hörvergnügen durchaus vergrößert.
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