laut.de-Kritik

Dem Soundcloud-Emporkömmling fehlt es an Ideen.

Review von

Ich mag "Gummo". Der Track, in dem der regenbogenfarbene Mexikaner das N-Wort durch die Gegend brüllt, als hätte ein 4chan-Kindergarten Wandertag, ist ein unterschätztes Soundcloud-Meisterwerk. Der Beat von Pi'erre Bourne könnte kaum griffiger sein, das Geschrei nimmt die besten Elemente von Lil Jon oder Limp Bizkit aus dem Hüftgelenk mit, und Gott sei Dank gibt es endlich einen neuen Rapper, der den Fans der alten Schule so richtig auf den Sack geht.

Jetzt steht "Day 69" als erstes Projekt von 6ix9ine auf dem Tisch und irgendwie ist die Luft schon raus. Die Follow-Up Singles "Kooda" und "KeKe" haben zwar dank der öffentlichen Kontroverse kleine Chart-Erfolge gefeiert, die Magie seines Erstlings aber nicht mehr so wirklich erreicht. Sprechen wir deswegen nicht über die öffentlichen Schockmeldungen, sprechen wir lieber darüber, wie unglaublich nervtötend dieses Mixtape klingt.

6ix9ine entpuppt sich hier als das, was ihm seine Hater von Tag eins an vorgeworfen haben: Als ein komplett eindimensionales, seichtes Meme. Irgendwann gewöhnt man sich an sein Erscheinungsbild, hat "Gummo" einigermaßen totgehört und stellt fest, dass jeder andere Song einfach nur "Gummo" in schlechter ist. Statt eingängigen "I don't fuck with no old hoes, only new hoes/"-Flows gibt es repetitives Geschrei, das selbst nicht so ganz zu verstehen scheint, in welchem Kontext es eigentlich gut klingt, und desorientierte Featuregäste, die von Tory Lanez über Young Thug bis hin zu Fetty Wap alle nicht so recht wissen, wofür sie hier eigentlich angeheuert wurden.

Dem Soundcloud-Emporkömmling fehlt es an einer musikalisches Vision, mit der er Shock Value in tatsächliches musikalisches Potential umwandeln könnte. Seine Versuche, sich selbst als ein blutrünstiges Gangmitglied zu inszenieren, bleiben eher wirkungslos, sonstige Ansätze, sich selbst interessanter zu machen, versacken in Plattitüden und Klischees. Und all das wäre ja gar kein Problem, würde der Sound als grundlegender Motor funktionieren. Das tut er aber nicht, denn Tracks wie "93" oder "Doowee" verwechseln catchy mit unangenehm und laut. Und auch wenn letzterer so etwas wie einen markanten Refrain beinhaltet, dümpelt er zu sehr in den Klischees des Rappers, um wirklich noch einen Hund hinter dem Ofen hervorzulocken.

"Day 69" ist eine einzige musikalische Idee, gestreckt auf elf Tracks. Und auch wenn das Tape gerade einmal dreißig Minuten auf die Waage bringt, bekommt man schon zur Halbzeit langsam Kopfschmerzen. Statt in sich zu gehen und herauszufinden, welche Momente und Motive man mit 6ix9ines Persönlichkeit und dem Schrei-Flow noch herauskitzeln könnte, scheint das Tape einfach den Zufall walten zu lassen und zu hoffen, dass sich der nächste Hit schon in irgendeiner Form darauf befinden wird. Dazu kommt, dass sich das Groß der Tracks bestenfalls auf Demo-Level befindet, Songs wie "KeKe" wahllos und antiklimaktisch enden und die gesamte Tracklist von einer Aura der Lieblosigkeit umgeben ist.

Dabei gibt es doch genug Musik, die gezeigt hat, dass auch primitives Geschrei auf guten Beats mehr als einen Song hergeben kann. Lil Jon oder Limp Bizkit sind nicht gerade die sternegreifendsten Momente der Musikgeschichte, aber sie befriedigen irgendwo ein Bedürfnis im Menschen, das auch "Gummo" fantastisch getroffen hat. Und wenn es nicht das ist, hätte man zumindest bei Kollegen wie den $uicideboy$, XXXTentacion oder mancher Young Thug-Single (z.B. "Homie“) spicken können, um zumindest nicht dieses grassierende Ideenbrachland abzuliefern. Das erste Release, keine halbe Stunde voll Musik und man hat das Gefühl, genug 6ix9ine für zwei Lebenszeiten gehört zu haben. Nicht das beste Omen für ein Debut.

Trackliste

  1. 1. Billy
  2. 2. Gummo
  3. 3. Rondo (feat. Tory Lanez & Young Thug)
  4. 4. Keke (feat. Fetty Wap & A Boogie Wit Da Hoodie)
  5. 5. 93
  6. 6. Doowee
  7. 7. Kooda
  8. 8. Buba
  9. 9. Mooky
  10. 10. Gummo (Remix) (feat. Offset)
  11. 11. Chocolaté

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Es ist quasi eine selbsterfüllende Prophezeiung, dass der Typ, der 2017 in einem viralen Meme als "Endboss der Soundcloud-Rapper" durchs Netz geistert, …

9 Kommentare mit 5 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    Uff, habe Gummo hart gefeiert und Dinger wie "Zeta Zero" oder "Hellsing Station" sind imho wegweisend, zumindest in Kombination mit den Videos.

    Die ganze SCUMGANG-Ästhetik ist irgendwie verloren gegangen... und hatte hier ja letztens auch schon geschrieben, dass ich hoffe, es wird GENAU DAS nicht eintreten: GUMMO in 11-facher Ausgabe. :/

    Einziger Hoffnungsschimmer: Noch habe ich es nicht gehört. :D

  • Vor 6 Jahren

    Man nehme die Markenzeichen von gehypten Soundcloud Rappern, mixt sie zusammen und hebt das ganze noch 3 Stufen höher und schon hat man eine rappende Skittles-Werbung. Wäre seine Musik nur ansatzweise so bunt und abwechslungsreich wie seine Frisur, so hätte man vielleicht noch einen Grund, sich das Album ein zweites Mal anzuhören.

  • Vor 6 Jahren

    Sehe ich anders, habe das Album mehrmals gehört und mir sind gerade Tracks wie "93" positiv aufgefallen.