laut.de-Kritik
Ein Album wie ein schreiendes Baby.
Review von Mirco LeierDa wären wir also. Knappe zwei Jahre nach "Dummy Boy" steht 6ix9ine, der kunterbunte Alptraum jedes Gatekeepers, wieder in Albumlänge auf der Matte. Dabei war "Tattle Tales" schon vor der Veröffentlichung erschreckend egal. Die Musik des New Yorkers war bereits vor seiner Zeit hinter schwedischen Gardinen seinem Personenkult untergeordnet, seit seiner Corona-bedingten Freilassung schwindet das öffentliche Interesse daran weiter in Rekordtempo, während sein Social-Media-Zirkus zur vollwertigen Instagram-Soap mutiert ist.
Es ist wenig überraschend, dass 6ix9ine versucht, aus seiner neugewonnen Snitch-Persona Kapital zu schlagen. Angst vor den Konsequenzen scheint er nicht wirklich zu haben. "I worry about it but I’m not scared of it. The streets are a myth" antwortet er in einem jetzt schon millionenfach geklickten New York Times-Interview auf die Frage, ob er denn Angst vor dem Tod habe. Der Interviewer vergleicht ihn mit Trump, Tekashi sagt er würde ihn wählen.
In Momenten wie diesen wird deutlich, wie geschickt 6ix9ine die richtigen Knöpfe drückt, um Headlines zu generieren und relevant zu bleiben. Gleichzeitig untermauert er damit aber auch, wie wenig Integrität er tatsächlich besitzt und wie berechenbar er geworden ist. Daniel Hernandez geht dahin, wo das Geld hingeht. Da kann er noch so oft sagen, er liebe es Musik zu machen, es genügt ein Durchlauf seines neuen Albums, um zu erkennen, welchen Stellenwert kommerzieller Erfolg für ihn hat und wie unvereinbar dieser mit seinem angeblichen künstlerischen Anspruch ist.
Auf "Tattle Tales" springt er erneut wild zwischen Genres, lässt bis auf wenige Ausnahmen sogar den tollwütigen Straßenköter-Trap hinter sich, der ihm mit Songs wie "Gummo" und "Billy" den Durchbruch bescherte. Er biedert sich stattdessen noch mehr dem Mainstream an, verfällt halbgarem Pop-Rap, der in Autotune ertrinkt, ebenso wie grausig uninspiriertem Reggaeton. Dass bei solch einem kunterbunten Potpourri die ein oder andere Idee hängen bleibt, scheint eigentlich fast unvermeidbar. Jedoch geht 6ix9ines zweitem Studio-Album die Catchiness seines Debüts ab, übrig bleibt eine fade Mischung aus Provokation und Langeweile.
Das liegt zum einen daran, dass die oftmals bärenstarken Features seines Debüts ihn mittlerweile meiden wie die Pest. Aber auch 6ix9ine selbst, der auf "Dummy Boy" zumindest hier und da einen gewissen Hunger an den Tag legte, scheint kreativ bankrott zu sein. Davon zeugt auch die äußerst kurze und äußert surreale Gästeliste, die er für "Tattle Tales" zustande brachte. Neben Nicki Minaj, die mit ihrem Verse das Highlight der gesamten LP liefert, finden sich zwei Auftritte von Akon, ein Verse vom ehemaligen Daily-Struggle-Moderator DJ Akademiks und zwei Darbietungen von Leftside und Smilez. Letztgenannter hat auf Spotify ganze 300 monatliche Hörer vorzuweisen.
Es ist also nicht zu weit hergeholt, wenn man sagt, dass der Name des ehemaligen Szene-Rambos, mittlerweile an oberster Stelle der schwarzen Liste prangt. Ob das berechtigt ist oder nicht, soll hier nicht Thema sein. Nur leidet eben nicht nur Tekashis öffentliche Wahrnehmung darunter, sondern auch die ohnehin überschaubare Qualität seiner Musik.
Die wenigen Highlights sind an einer Hand abzuzählen. Neben dem bereits erwähnten grandiosen Nicki-Verse bleiben vor allem "Yaya"s erratischer Beat und das cartoonhaft anmaßende "Gooba" in Erinnerung. 6ix9ine hat schon recht, wenn er in dem Gespräch mit Joe Coscarelli erzählt, dass er wenig Sinn darin sieht, seinen Sound grundlegend zu ändern. Dennoch tut er mit Songs wie "Leah", "Locked Up 2" oder "GTL" genau das.
Die Introspektion, die er darauf an den Tag legt, verfehlt im Kontrast mit Songs wie "Gooba" oder "Trollz" jegliche Wirkung. Niemand kauft 6ix9ine ab, dass er seine Entscheidungen ernsthaft bereut, wie er es im Intro suggeriert, wenn er zwei Tracks später den Leuten, die er verpfiffen hat "You mad, I'm back, big mad" ins Gesicht schreit, während im Hintergrund die Ärsche wackeln.
"GTL" schlägt aus dieser Opferrolle noch schamloser Kapital. Aufgenommen über das Global Tel Link-System, das Telefonate aus dem Knast ermöglicht, träumt 6ix9ine von Freiheit, rechnet mit den Nine Trey-Bloods ab und beendet augenscheinlich die Beziehung zu seiner damaligen Freundin. "I was facin' 47 you was sittin' at home" und "I know I can't keep lovin' you", singt er selbstmitleidig. Jegliche Emotion, die der Song versucht zu vermitteln, geht flöten, wenn man bedenkt, dass er in früheren Beziehungen seine Partnerin krankenhausreif prügelte und nur einen Song zuvor Lyrics wie "I just fuck her and mislead the hoe, I mistreat the hoe" vom Stapel lässt.
Spricht man über 6ix9ines Musik, ist es unmöglich, die privaten Eskapaden des Daniel Hernandez einfach zu ignorieren. Dabei entlarvt ihn "Tattle Tales" ebenso wie das erwähnte Interview als traumatisierten Mann, der in seiner selbstgeschaffenen Rolle gefangen ist. Dieses Album ist, was passiert, wenn ein schüchterner Niemand von der Straße alles dafür tut, um über Nacht zum Megastar zu werden, aber zwischen all dem neu gewonnen Respekt und den Millionen auf dem Konto, den rechtzeitigen Absprung verpasst. Was bleibt, ist nur die Flucht nach vorne. Die ist dann wiederum gleichzusetzen mit einem schreienden Baby, das so lange quengelt, bis man ihm endlich seine Aufmerksamkeit schenkt. Und vielleicht täte man am besten daran, mit Tekashis Musik entsprechend umzugehen und sie einfach zu ignorieren.
"Tattle Tales" markiert den Anfang vom Ende für 6ix9ines Karriere. In seiner kurzen Diskographie nimmt sein zweites Album eine ähnliche Rolle ein wie "Harverd Dropout" 2019 für Lil Pump. Es markiert den Punkt, an dem der Rapper seinen ehemaligen, hemmungslosen Schrei-so-laut-du-kannst-und-box-die-Katze-deiner-Nachbarin-Sound, zugunsten von Mainstream-Erfolg hinter sich lässt, stattdessen aber unwissend den Grundstein für seinen Abschied in die Belanglosigkeit legt. Eigentlich kann man es ihm, nicht nur seiner Gesundheit zuliebe, nur wünschen, dass dies besser heute als morgen geschieht.
12 Kommentare mit 9 Antworten
kunst!
...die weg kann.
Weg mit dem Schrott!
Kann laut.de bitte einfach aufhören über diese MISSGEBURT zu berichten, hm? Danke!
true words!!!
laut.de ist halt einfach ne Klick-Nutte, wir sollten keinerlei Erwartungen stellen.
Die Springer-Mutter veröffentlicht ja auch gern WhatsApp Mitschriebe von 11jährigen die gerade 5 Geschwister bei einem Gewaltverbrechen verloren haben...dagegen sind dann wohl selbst 6ix9ine News Kwalidedsgondend!
Zustimmung. Ist auch ein ziemliches Armutszeugnis, wenn sich ein Rezensent in diesem Umfang mit so einem musikalischen Abschaum befasst. Sich im Text beschweren über den Künstler aber dann ein ellenlanges Review veröffentlichen, um doch wieder Presse zu generieren, genau das also, was der Typ will? Was soll das?
Hey de_chef,
Danke, dass du bei der Aufdeckung von laut'schen Widersprüchen den hiesigen Ermittlungsbehörden behilflich bist. Wir leiten deinen Fall gerne an den Ermittlungsleiter Werner Willich weiter.
Vielleicht versucht Laut.de einfach nur eigenen Profit daraus zu schlagen und die Demontage des erwähnten Künstlers wird zu Gunsten eigener Klickzahlen tatsächlich in Kauf genommen bzw. ist Laut völlig Arsch-egal. Das müssen dann aber die Ermittlungen zeigen.
Ich halte dich auf dem neuesten Stand.
Gruß
VE
wie wenig Integrität er tatsächlich besitzt...
Not errone livin da g-code like a Mirco
6ixn9ne = Absolut Idiocrazy-Esker Trash..... Kenne 1-2 Personen die das "konsumieren".... sind äußerst dämliche Menschen
https://www.youtube.com/watch?v=9jECy5-o0-s
"'bitch ich bin dumm' eine unfassbar reflektorische aussage:' bitch, ich bin dumm...' "
So ein Bullshit wird rezensiert und die neuen Alben von KSI oder Don Toliver bleiben unberührt bzw. werden ignoriert…
Was soll man da noch sagen ?
Von der fehlenden Rezi zur neuen Everything Everything mal abgesehen.