laut.de-Kritik
Party, willige Bräute, Schnaps, Autos ...
Review von Eberhard DoblerEines zeigen die 40 "Family Jewels" überdeutlich. Für AC/DC haben Musikvideos keine Bedeutung. Die australischen Rocker kümmern sich darum genauso wenig wie um musikalische Trends. Wozu auch? Wer die ersten Takte eines AC/DC-Songs hört, hat die Message eh kapiert. Ultimative Rock'n'Roll-Hooks zu Klischee-beladenen Texten (von einigen Ausnahmen abgesehen): Party, willige Bräute, Schnaps, Autos - eben alles, wovon ein ordentlicher Backseat-Rhythm lebt.
Wer braucht da aufwendige Clips, die Style oder gar Kunst vorgaukeln? Folglich zeigt die Doppel-DVD das teils unterschiedlich besetzte Quintett vor allem beim Abrocken. Zu sehen gibts mehr oder weniger rare TV-Auftritte und Live-Promo-Clips sowie einige Musikvideos und Live-Performances aus drei Dekaden Bandhistorie.
Teilweise kennt man das Material aus Dokus, besonders dürfte die Fangemeinde hier aber der Part interessieren, der die wenigen Jahre umfasst, in denen AC/DC mit Sänger Bon Scott ihren Kult begründeten. Noch heute schwärmt der "wahre Kenner" fast ausschließlich von der Zeit zwischen 1974 und 1980.
Dass diese Perspektive reihenweise tonnenschwere Tracks der Young-Brüder (dem unangefochtenem Band-Nukleus) ignoriert (beispielsweise die Alben "Back In Black" und "The Razor's Edge" oder Songs wie "For Those About To Rock (We Salute You)" und "Flick Of The Switch" - bitte. Schließlich gewichten AC/DC ihre Karriere auf der Doppel-DVD (inklusive Diskografie) ähnlich ungleichmäßig. 20 Tracks mit dem Dunkel-Charismatiker Scott von 1975 bis 1980 stehen 20 Auftritte mit seinem im direkten Vergleich unglamourös wirkenden Nachfolger Brian Johnson von 1980 bis 1993 gegenüber.
Wer Scott mal in Frauenklamotten ("Baby Please Don't Go", April 1975) bzw. als Priester verkleidet ("Let There Be Rock", 1977) oder Gitarrist Angus Young in Slow-Motion vor Durchschnitts-TV-Publikum ("Girls Got Rhythm", Februar 1980) sehen will, kommt hier voll auf seinen Kosten. Die Band auf einem offenen Lastwagen mit Dudelsackpfeifern ("It's A Long Way To The Top", Februar 1976) oder im Fußball-Dress ("Fling Thing/Rocker", April 1978) gibts ebenfalls zu sehen. Mangelhaft synchronisiert wurden damals leider Bild und Ton bei den Promo-Sessions zum "Highway To Hell"-Album (bis auf "If You Want Blood", Juli 1979).
Erste Schritte in Richtung "echtes" Musikvideo, verstanden als ein Miniumum an Rahmenhandlung, gehen AC/DC mit den fünf Tracks des "Fly On The Wall"-Zyklusses (1985). "Who Made Who" fährt 1986 ein ganzes Heer an Gitarre spielenden Angus Youngs auf. "You Shook Me All Night Long" (1985) bedient 80er-typische feuchte Metal-Träume, während Young und Co. ab "Heatseaker" (1988) bevorzugt Massen an Fans für ihre Clips mobilisierten.
Mit drei Stunden Laufzeit haben AC/DCs ihren Fans ein ansehnliches Schatzkästchen gepackt. Dennoch bleibt es unverständlich, weshalb die Videos seit dem Comeback ihres Lieblings-Trommlers Phil Rudd 1995 ausgespart bleiben (die Auskopplungen zu "Ballbreaker", 1995 und "Stiff Upper Lip", 2000). Zumindest hätte dieser Logik nach noch die Single "Big Gun" hierher gehört. Den "Last Action Hero"-Soundtrack trommelte schließlich der tighte und explosive Chris Slade ein - bevor er den Hocker für Rudd wieder räumen musste.
Noch keine Kommentare