laut.de-Kritik
Mit einem Fuß im Knast, mit dem anderem im Deutschpop.
Review von Yannik GölzDer Manager von Elvis Presley soll gesagt haben, er könne eine Millionen Dollar machen, wenn er nur einen Weißen finde, der singen kann wie ein Schwarzer. Beim heutigen Straßenrap ist es mitunter umgekehrt: Da steht das große Geld den Leuten offen, die ein hartes Image haben, aber trotzdem ihre Zehenspitzen in Deutschpop-Songwriting dippen. "Blackout" von AK Ausserkontrolle leistet Mythos-Pflege für den aktuell wohl lukrativsten Gangster der Szene – und zeigt, dass er verlustfrei in der Lage ist, sich schamlos zu verkaufen.
Dabei macht das Album erstmal mit recht klaren Ansagen auf: Songs wie "Big Money" oder "Heute Nacht" stehen musikalisch in einer Erbfolge mit der musikalischen Identität von der "Jung, Brutal, Gutaussehend"-Reihe, die den Sprung im Gegensatz zu ihm ins Trap-Zeitalter nie so recht geschafft hat. Ich würde AK als Performer nicht mit Kollegah vergleichen, aber musikalisch teilen sie zumindest die Sensibilität für diese schimmernden, vermeintlich wertig klingenden Synth-Arps und Synth-Streicher. Mehr als einmal klingt auch dieses Album wie bereit für die Sun Diego-Hook, wie von selbst entstehen im Kopf dazu Aufnahmen von geleasten Luxuswagen, die in Slowmotion durch die nächtliche Großstadt fahren.
Gegen all den Gangster-Glitzer und Pimp-Feenstaub hält AK als Performer dann aber ein sehr klares Gegengewicht: Seine Vocals positionieren sich im Gangster-Spektrum eher zwischen Samra und 187, wichtiger als Nuance oder Subtilität ist, dass dieser Mann wirklich jederzeit wüst und ungehobelt klingt. Es ist aber auch die Dreistigkeit, die ihn nicht langweilig werden lässt. Viel von dem, was er erzählt, mag relativ klar ins Klischee-Vokabelheft fallen, aber er hat doch die irgendwie schrägen oder unerwarteten One-Liner dazwischen, die ihn von anderen abheben. "Was für Hausmeister Krause?", fragt er zum Beispiel auf "Big Money", und antwortet sich selbst mit "wenn wir ticken hält der Hausmeister Schnauze".
Würde man diese Seite des Albums zusammenfassen, dann könnte man sie als klassische, aber sehr dreckige Gangster-Rap-Spielart mit Hang zum Morbiden erklären. AK Ausserkontrolle ist gut darin, diese moderne amerikanische Philosophie des "ich bin erst Gangster, dann Rapper" zu verkörpern, er trägt viel manische Energie allein durch seine Stimme, hat dann aber doch genug Wille zum Entertainer in seinen regelmäßigen wacky Wie-Vergleichs-Punchlines, um nicht langweilig zu werden. Außerdem schreckt er nicht davor zurück, seine Finger mit eigenen Gesangsparts dreckig zu machen. Meisterhafte Vocals bringt er zwar nicht an den Start, aber dafür hat er beeindruckenden Instinkt fürs Songwriting und wann und wo er diese Passagen anbringen kann. Der Übergang von "Auf Der Flucht" zu "Immer Unterwegs" zeigt zum Beispiel, dass da durchaus ein nicht zu unterschätzendes musikalisches Feingefühl in diesem anscheinend so grobschlächtigen Mann steckt.
Diese Seite von sich kundschaftet er dann auch mehr als den Vorgängern aus: Nicht nur, weil er gefühlt die ganze Deutschrapszene als Feature dabei hat, unter anderem ein gut aufgelegter Pashanim auf einem Song, in dem beide wie symbiotisch zu begreifen scheinen, wie gut sie der Kredibilität des jeweils anderen tun. Pasha bekommt ein bisschen echte Berliner Straßen-Kred, AK den jungen, heißen Megastar, der ihn wirklich als OG zu bewundern scheint. Samra und Haftbefehl kommen für ihre üblichen Performances vorbei, sogar Bausa wird aus dem Sumpf gezogen. Aber am interessantesten ist, was auf dem Song "Dieses Eine Mal" passiert.
Kurz, um es klarzustellen: Mit "interessant" meine ich hier bei Weitem nicht "gut". Der Song mit Sido und Kontra K ist wahrscheinlich der beschissenste auf dem ganzen Album. Aber hört man mal nur auf die Produktion, lässt sich nicht leugnen: Die Keys, die Streicher, würde man den melodramatischen Trap-Knock ein bisschen runterfahren, dann wäre das astreiner Deutschpop. Mehr noch, die rührselig-weinerlich-gottesfürchtige Hook von AK fällt so knallhart in die typischen Songwriting-Tropen. Da schmachtet er als dieser eigentlich herzensgute Junge, der nur sein Bestes gibt, ein guter Mensch zu sein. Sido kommt vorbei und versucht an eine Zeit zu erinnern, in der auch er mal Straßenrap war (er scheitert). Und Kontra K macht den Subtext dann in seiner immerwährenden Tölpelhaftigkeit komplett klar, indem er von "nur noch ein Bruch" in einer sehr hölzern geschrieben Passage auf "nur noch ein Kuss" überwechselt.
Da gibt es dann keine Ausflucht, was es ist: Das ist ein "der arme bad boy, ich kann ihn ändern"-Song. Die Art Musik, die Samra und Kontra K zu Superstars gemacht hat, Ersterer schreibt kaum noch etwas anderes. Aber der kommt eben ein bisschen albern, wenn man sich davor ein halbes Album lang darin gesuhlt hat, absolut unapologetischer menschlicher Schmutz zu sein. Und nur damit das klar ist: Logisch, Gangster-Rap überzieht und dramatisiert diese Rolle für Unterhaltung, Stil oder Kritik, aber man kann nicht beides haben - erst die wehleidige Ballade, dass man doch nur ein geplagtes Opfer der Gesellschaft auf der Suche nach dem geraden Leben ist - und dreißig Sekunden vorher sich für den Geilsten halten, weil man mit den Kilos Maybach fährt und alle anderen Rapper stechen lässt. Auch der Song darauf, der größte des Albums, schlägt in diese Kerbe: "3065" geht über einen astreinen Pop-Beat und schreibt eine große Pop-Hook darüber, nachts im Mercedes vor den Bullen davonzufahren. Mehr Respekt dafür, weil es mehr on-brand für ihn ist, textlich.
Aber trotzdem: Dass AK Ausserkontrolle vom wahrscheinlich raubeinigsten aller Straßenrapper zur eierlegenden Wollmilchsau für das Pop-Crossover und trotzdem einer amtlichen Bank für Gangster-Kredibilität werden konnte, das muss man irgendwie bewundern. Auch, dass er sich mit "Blackout" an einem richtig klassischem Album versucht hat und verschiedene Sounds und Ideen nicht nur umsetzt, sondern teils wirklich hinkriegt, spricht für seine Bereitschaft zur künstlerischen Entwicklung. Es spricht leider auch für eine Bereitschaft, den Labels und den Algorithmen zu geben, was sie wollen – und genau, wie es Momente gibt, die seine Persona in spannende neue Richtungen ziehen, gibt es Momente, die sein ganzes Ding verwässern und irgendwie ad absurdum führen.
"Blackout" ist sein bestes Album bisher – ein bisschen will man aber doch hoffen, dass er sich nicht wie besagte Samra oder Kontra K ganz in den Deutschpop-Strudel ziehen lässt. Wenn das passiert, wird es erfahrungsgemäß leider auch bis auf Weiteres sein bestes bleiben.
1 Kommentar mit einer Antwort
Das Ding ist doch schon seit mindestens 12 Jahren komplett durch. Hab gerade bei diesem paradeclown nie verstanden, warum deutschrap einen weiteren spätpubertierenden Maskenmolch mit versoffener späti-stimme braucht
Stimmt, 18 Karat und er sind einer zuviel.