laut.de-Kritik

"Viele haben gute Reime, doch die Leute brauchen Hits."

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Läuft bei Deutschrap. Im Wochentakt erscheinen zahlreiche Alben von Sprechgesangsartisten und diese behaupten sich auch meist recht erfolgreich in den Charts. Kein Wunder also, dass in letzter Zeit immer mehr alte Hasen Blut lecken und das Projekt Comeback in Angriff nehmen. Ob Denyo, MC Rene oder Curse – viele MCs, die die deutsche Hip Hop-Kultur entscheidend mitgeprägt haben, gaben bereits ihre unverhoffte Rückkehr bekannt. Und stießen dabei nicht immer auf pure Begeisterung.

Eigentlich kann man Afrob und Samy Deluxe nicht zu diesen Namen hinzuzählen, veröffentlichten die Rapper doch über die Jahre immer wieder Alben als Solokünstler. Doch für das Team ASD sind seit dem Erstlingswerk "Wer Hätte Das Gedacht" tatsächlich 12 Jahre vergangen. "Dies ist kein Comeback, dies ist 'ne scheiß Bombe!", stellt Samy im Titeltrack "Blockbasta" klar. Doch kann die explosive Mischung ASD nach über einer Dekade überhaupt noch zünden?

Die erste Hälfte von "Blockbasta" überzeugt auf dieser Mission durchaus. Afrob und Samy Deluxe legen ganz bewusst wenig Wert auf inhaltliches Facettenreichtum. Viel mehr geht es um Vibe und Energie ihrer Rapmusik. So eröffnen sie die Platte direkt mit einem absoluten Brett: "Die Partei" wurde von Bazzazian aka Benny Blanco produziert, der auch für Instrumentals auf Haftbefehls "Russisch Roulette" verantwortlich ist. Auf dem bretternden Beat liefert das Duo in einem harmonischen Wechselspiel Parts ab. Stimmlich und stilistisch passen A und SD zusammen wie Topf und Deckel.

"Das Beste, wenn's um Rap geht." Schon auf dem ersten Track zitieren die Rapper ihren größten Hit "Sneak Preview". Kein Wunder, haben doch ASD für "Blockbasta" ein klares Ziel: "Es sollte ein Album voller 'Sneak Previews' werden. Viele Banger." Diese Mission gelingt dem Tagteam nur zum Teil. Bereits auf dem vierten Track "Deadline" ist es vorbei mit der puren Power. Stattdessen suhlen sich die beiden Urgesteine zusammen mit Max Herre in ihrer eigenen Vergangenheit. Der ruhige Song versprüht nichts von der Energie der vorherigen Songs. Textlich irgendwo zwischen Nostalgie und platten Lebensweisheiten stellt sich schnell Langeweile ein.

Wenn nicht gerade kraftvolle Beats die wuchtige ASD-Atmosphäre kreieren, bemerkt man schnell die textlichen Defizite. Denn wenn ein Herr Deluxe Lines bringt wie "Jeder will ein Stück vom Kuchen, jeder will Rapstar sein / Doch keiner will dafür früh aufstehen, wie der Bäcker, nein" möchte man sich einfach nur an den Kopf fassen. Und auch Afrob verzichtet nicht auf befremdliche Zeilen, rappt der 38-jährige beispielsweise auf "Tortellini Augen": "Kalte Füße, warmes Essen, ich brauch keine Zigaretten / Ein paar Stunden nur für mich und keine Muttis, die mich stressen."

Also schnell weiter zum nächsten Banger. Ob "Mittelfinga hoch", "Legendär / Populär" oder "Antihaltung" – oft genug schaffen es die Brüder im Geiste tatsächlich, das "Sneak Preview"-Gefühl einzufangen und ansteckenden Kopfnicker-Hip Hop zu liefern. Doch manchmal erzwingen ASD das Konzept vom clubtauglichen Rap-Hit so sehr, dass es nicht mehr aufgeht. Als Beispiel sei hier "Airhorn" genannt. Ja, es handelt sich dabei wirklich um einen Song über dieses nervige Drucklufthorn. Der eingängig-stupide Text soll Disco-Tauglichkeit erzielen, geht aufgrund seines anstrengenden Aufbaus aber gehörig auf die Nerven: "Sag dem DJ: Gib mir ein Airhorn / Komm, komm, gib mir da mehr von." Nein, lieber nicht.

Die Stärken von ASD liegen nicht in überintelligenten Texten, sondern in Raptechnik und Vibe. So wie "Ausrasta", das quasi als Tech-Demo für die Versiertheit und Skills der Interpreten fungiert. Flowvariationen, gewitzter Stimmeinsatz und starke Doubletime-Parts – die Rapper beweisen, dass sie es nach all den Jahren immer noch drauf haben. Doch auch hier sollte man beim Text lieber auf Durchzug schalten. Dann kann man die aufwendigen Flow- und Style-Gebilde der Reimemonster erst richtig genießen: "Einfach nur Rapshit, Reime und Technik." Gut so!

Die Dynamik zwischen Samy und Afrob stimmt immer und entfaltet sich am besten auf einfachen Representer- und Bangertracks. Deshalb ist der Ansatz auch lobenswert, ein Album nach dem Vorbild von "Sneak Preview" zu formen. Warum solch eine Platte dann aber gerade mit einem Nena-Feature enden muss, bleibt unbegreiflich. "Ich seh was" verbindet belanglosen Inhalt und einen einschläfernden Refrain der Sängerin. Auch die Stimmung passt so überhaupt nicht zum grundlegenden Vibe der Platte und schließt das ambitionierte Projekt "Blockbasta" mit einem bitteren Beigeschmack.

"Viele haben gute Reime, doch die Leute brauchen Hits", heißt es auf "Antihaltung". Hits gibt es auf "Blockbasta" so einige, was vorrangig an den guten Produktionen und der Energie liegt. Doch gibt es leider genau so viele Ausfälle, woran vor allem platte Aussagen, hohle Fremdschäm-Lines und langweilige Thementracks Schuld sind. So ist "Blockbasta" letztendlich ein durchwachsenes Album, das aber um einiges mehr Spaß macht, als die letzten Solo-Ausflüge des Duos.

Trackliste

  1. 1. Die Partei
  2. 2. Blockbasta
  3. 3. Mittelfinga hoch
  4. 4. Deadline
  5. 5. Bruda
  6. 6. Überall is Krieg
  7. 7. Tortellini Augen
  8. 8. Legendär / Populär
  9. 9. Ausrasta
  10. 10. Airhorn
  11. 11. Antihaltung
  12. 12. Mensch gegen Maschine
  13. 13. Non
  14. 14. Großes Finale
  15. 15. Ich seh was

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14 Kommentare mit 40 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    Nachdem meine nachfrage ungehört blieb, kann ich besten gewissens hier die 1/5 ungehört zücken

    Was damals schon mehr schlecht als recht funktionierte, bringt dem hörer beim heutigen verfall der beiden nur ärger ein

  • Vor 9 Jahren

    Überraschend gut aber immer noch schlecht.

  • Vor 9 Jahren

    Ich begebe mich mal auf ganz dünnes Eis hier:

    Nachdem ich den ersten Versuch nach der Nummer mit Herre und dem Totalausfall "Bruda" abbrechen musste, habe ich's mir jetzt noch einmal ganz genehmigt und muss ehrlich sagen, dass es gar nicht so übel ist. Vielleicht bin ich ja noch durch die ganzen Kenneths, Caseys und Parhams geschädigt, aber ich habe mich schon deutlich weniger unterhalten gefühlt.

    Die meisten Produktionen können sich mehr als nur hören lassen und die Styles der beiden ergänzen sich diesmal besser als ich es in Erinnerung hatte. Das Rap-Handwerk beherrschen die beiden natürlich, aber auch lyrisch schlagen sie sich ganz ordentlich. Samy erspart uns diesmal netterweise WTF-Punchlines à la "Denn Rappen befriedigt mich selbst, ich nenn das flownanieren", die meisten 16er haben einen gewissen inhaltlichen Zusammenhang und beide spielen hier mindestens eine Liga über selbstzufriedenen Frührentnern wie Sido oder den ganzen gescheiterten Comeback-Versuchen alter Helden in letzter Zeit. Irgendwo habe ich letztens gelesen, dass Afrob Samy einigermaßen zurückgeholt hätte - wie ein Rollstuhlfahrer den anderen. Passt schon. :D

    Natürlich ist das kein classic material und es gibt hin und wieder richtig dicke Ausfälle ("Bruda" und "Airhorn" z.B.), aber insgesamt ist das locker das beste Album mit Samy-Beteilung seit der guten alten Zeit, wann auch immer man die ansetzen möchte. ;) Kann der laut.de-Review soweit zustimmen.