laut.de-Kritik
Wenn der DJ zur lebenden Jukebox verkommt.
Review von Daniel StraubSeit zehn Jahren ist André Tanneberger nun schon im Geschäft. Zuerst zusammen mit Woody Van Eyden und Ulrich Poppelbaum als Sequential One, später dann auf Solopfaden unter dem Kürzel ATB erfreute sich Tanneberger beinahe ständiger Chartspräsenz.
Eine solche Bilderbuchkarriere will natürlich angemessen gefeiert werden, und so holt ATB in diesem Jahr gleich zum Doppelschlag aus. Im Frühsommer erschien sein vierter Longplayer "Addicted To Music".
Jetzt legt er mit der Doppel-Mix-CD "The DJ (In The Mix)" noch einmal nach. Auf zwei Silberlingen versammelt André Tanneberger insgesamt 32 Titel, die vor allem eines gemeinsam haben: sie rocken den Dancefloor in altbewährter Trance-Manier.
Und dabei kommen nicht nur aktuelle Tracks wie Paul Van Dyks neue Single "Time Of Our Lives" von seinem Album "Reflections" zum Einsatz, sondern auch Schmuckstücke, die schon einige Zeit auf dem Buckel haben, wie Humates "Love Stimulation" aus dem Jahr 1998.
Zeit zum Verschnaufen bleibt bei dieser Tour-de-force kaum, die Bassdrum gibt mit ihrem strikten Four-to-Floor-Beat 140 Minuten lang den Takt vor.
Zwar mixt sich ATB gefällig durch seinen Set und legt mit "9 P.M. (Till I Come)" auch seinen Riesenhit auf. Doch vermittelt "The DJ (In The Mix)" einem kaum eine Vorstellung davon, was aus zwei Turntables, einem Mixer und einer Plattenkiste alles rauszuholen ist.
Nicht die Erzeugung von Stimmungen, das Spiel mit den Tanzenden stehen hier zur Debatte, sondern das einfallslose Aneinanderreihen hymnischer Trancetracks.
Progressiv nach vorne gehende Beats, Break, Flächen, und dann das Ganze wieder von vorne, lautet das vereinfachte Schema von "The DJ (In The Mix)".
Die Abfahrt ist hier wohl kalkuliert, das Set funktioniert mit einer Zwangsläufigkeit, die gerade jene spannungsreichen Schwebezustände komplett ausschaltet, die dank technischer Gewitztheit und neugieriger Sensibilität der DJ-Performance einem akustischen Orgasmus ähneln.
So sind die beiden CDs von "The DJ (In The Mix)" nicht mehr als ein allenfalls durchschnittliches Set, bei dem es dem DJ nicht gelingt, sich seinen Tracks gegenüber zu emanzipieren.
Nicht der DJ gibt hier die Struktur des Mix vor, indem er aus vielen Stücken etwas Neues zusammen montiert, sich in seiner Plattenkiste wie in einem Steinbruch verhält, dieses heraus reißt, anderes wegwirft. Nein, bei ATB geben die Songs Richtung und Intensität des Sets vor, das schon nach wenigen Nummern wie eine Mutation seiner selbst erscheint.
Der DJ hat sich zum willenlosen Sklaven seiner Musik gemacht, verkommt zur lebenden Jukebox.
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