laut.de-Kritik
Die belgischen Alternative-Stars setzen zum großen Sprung an.
Review von Michael SchuhWelch passendes Bild: Auf dem Cover des vierten Absynthe Minded-Studioalbums hält Sänger und Gitarrist Bert Ostyn einen Zauberwürfel in der Hand. So lange wie man früher brauchte, um überhaupt drei Farben in eine Reihe zu drehen, scheint es für seine Band zu dauern, in Deutschland die große Aufmerksamkeit zu erreichen, die sie in der Heimat längst erfährt.
Leider sprechen wir hier nicht von den USA oder Großbritannien, deren Newcomer hierzulande gerne mit blindem Eifer promotet werden, sondern von Belgien. Dort sind Absynthe Minded längst Superstars: Das vorliegende, vierte Studioalbum erhielt für 45.000 verkaufte Alben Dreifach-Gold, die Single "Envoi" ging 20.000 Mal über iTunes weg.
Tom Barman, dessen Band dEUS immer wieder als Referenz herangezogen wird, sah in Absynthe Minded bereits nach Erscheinen des Debütalbums 2004 "das Versprechen der Zukunft". Nun soll diese Zukunft auch hierzulande beginnen: Das Quartett aus Gent legt in bewährter Weise ein beinahe durchweg fesselndes und schwer heterogenes Alternative-Album vor.
Ob butterweicher Indie-Folk ("Envoi"), nervös flirrender Jazz ("Weekend In Bombay"), mitreißender Swing ("If You Don't Go, I Don't Go") oder Dire Straits-Gedächtnis-Rock ("Heaven Knows"): Die Songs der Gruppe scheint nach wie vor nur der Wille zum Experiment zu einen.
Der dEUS-Vergleich mag angesichts von Herkunft und Songwritingqualität nachvollziehbar sein, hinkt aber aufgrund der deutlich vielschichtigeren Klangauswahl der Zauberwürfler: Mit der Melange aus Geigen, Klavier und Akkordeon gelingt Absynthe Minded ein Alleinstellungsmerkmal, das mächtig groovt.
Selten hat es mich daher weniger gestört, dass einem neuen Studioalbum bereits bekannte Songs untergejubelt werden. Zum einen weil "My Heroics, Part One" (von "New Day", 2005) die vielleicht tränenrührigste Gitarrenballade der letzten fünf Jahre ist, zum anderen weil die weiteren bekannten Songs ("Acquired Taste", "It'll Be Allright", "I Like You When You're Sad") auf die ebenfalls großartigen alten Studioalben verweisen.
Und wenn man nun noch mal genau hinschaut, erkennt man auf dem Cover-Würfel in Sänger Ostyns linker Hand eine Reihe mit drei gelben Farbfeldern.
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