laut.de-Kritik
Der Abwärts-Hammer schlägt noch immer Funken auf dem Punk-Amboss.
Review von Artur SchulzDas Alben-Cover bringt die Abwärts-Befindlichkeiten 2011 sofort auf den Punkt: inmitten der Europafahnen-Sternchen wartet ein geöffneter Lokus auf Arbeit. Ein sicher drastisches, doch höchst treffendes Gleichnis auf Europas Finanz-Krise. Nach wie vor reißt Frank Ziegert sein Maul auf, wenn ihm etwas nicht passt. Doch nie als nur vorlauter Plärrhansel, sondern mit stets nachvollziehbarer, authentischer Wut. Der ernsthafte Punk hat seine Berechtigung noch immer nicht verloren - gut so.
"Ich Habe Heute ein Scheißgefühl", stellt Ziegert zu Beginn fest, und gibt damit die Platten-Ausrichtung vor. Verdrängen und beiseiteschieben ist nicht, denn "Heute ist das Schicksalsspiel". Trefflich umreißt er die Situation, in der sich das derzeitige Europa befindet. "Das Böse" findet sich aber auch außerhalb eigener Grenzen. "Ob Rastamann / ob Barack Obama / ob Pädo-Priester / ob Dalai Lama" - die "Nepper, Schlepper, Bauernfänger" der Welt agieren unter verschiedensten Masken. Angst vor Polarisierung haben Abwärts jedenfalls nicht.
Das Kernstück "Europa Safe" jongliert effektiv mit Samples und orientalischen Sound-Einschüben. "Stacheldraht und tiefe Gräben" bilden die Abschottung gegenüber Flüchtlingen der "dritten und der vierten Welt". Abwärts inszenieren den Song nicht als Anklage, sondern als zumeist nüchterne Bestandsaufnahme bestehender Realitäten. Auch der "Facebook"-Wahn bekommt sein Fett weg, musikalisch allerdings zu stark auf 08/15-Rock getrimmt.
Dreimal sind zwischen den Songs "War"-Licks eingestreut. Im Eigen-Cover "Grab Dich Selber Ein - Version 2.0" leistet ein Snap!-Sample ("The Power") gute Dienste. Dem puren Ur-Punk haben Abwärts ohnehin von Beginn an entsagt. Zitate und Einbindungen verschiedener Genres zwischen Pop und Rock dienen der Intensivierung der eigentlichen Botschaft.
Der Widerstand des Punk tut auch Jahrzehnte nach seiner Entstehung Not. Was es in dieser Kunstform anzuprangern gilt in Politik und Gesellschaft, ist eben nicht weniger geworden. Hoffnung auf andere, bessere Zeiten scheint kaum in Sicht.
In einer Zeit, in der Akkorde und Attitüde des Punk vielfacher Vereinnahmung durch Allerwelts-Pop erlegen sind, beharken Abwärts das Genre noch immer mit energetischer Kraft und echtem Schweiß. Die Reißzähne der sägenden Gitarren packen zielsicher zu, Ziegert gibt überzeugend und rotzig den nimmermüden Scheißegal-Fronter. Nicht immer wandeln die Songs dabei auf klar überdurchschnittlichen Pfaden. Doch wenn die Hamburger das richtige Rohmaterial auf ihrem Amboss haben, schlägt ihr Punk-Hammer kräftig Funken.
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@artie: