laut.de-Kritik

Der übliche Wahnsinn im Mixtape-Format.

Review von

Über alles rappen und gleichzeitig über nichts: Kaum jemand beherrscht diese Disziplin so wie Action Bronson. Über Jahre, die zahlreiche Mixtapes, EPs und Tracks hervorbrachten, hat der gelernte Koch seinen Stil perfektioniert und zu seinem Markenzeichen auserkoren. Dass auch "Mr. Wonderful" nur so vor sympathischem Nonsens strotzt, war abzusehen - und wird Bronsons Major-Debüt teilweise zum Verhängnis.

Der Einstieg aber gelingt: Mark Ronson, der schon die Single "Baby Blue" produzierte, ließ "Brand New Car" handschriftlich von Bronsolinos Lieblingssänger Billy Joel absegnen und sampelte dessen Song "Zanzibar" für den herrlich bekloppten Opener. Die markante Piano-Grundlage dient als perfekte Spielwiese für den neuen, alten Superhelden im Game, den Batman im Fatsuit: "Trust you me, Gotham's safer now".

Selbst in Gotham herrscht allerdings mehr Recht und Ordnung als auf einer Platte von Action Bronson. Nach dem altbekannten
"Ahem... let me get my voice right" feuert Action B. dann spätestens in "The Rising" alles raus, was ihm gerade einfällt - und sich bestenfalls auch noch reimt. Beinmassagen, Gemüse, Seal, Tintenfischsuppe und Marilyn Monroe lassen sich in Bam Bams Welt perfekt mit einem herzerwärmenden Gruß an seine Mutter vereinen: "My mother said I better win or else she'll fuck me up / Ma we did it, I love you, you lucky slut!"

Wer zu diesem lyrischen Wahnsinn die Produktion liefert, ist wie schon bei Bronsons früheren Werken herzlich egal, denn Ausschussware kommt dem Musikliebhaber sowieso nicht auf den Tisch. Und einen Brei aus "white snake and underwear sauce" können nicht einmal zu viele Köche verderben.

Unter denen befinden sich neben Mark Ronson und Statik Selektah natürlich auch alte Weggefährten wie Party Supplies und The Alchemist, der ja auch ganz gerne mal über alles Mögliche rappt. Selbstredend, dass das alles sehr gut, wenn auch nicht außergewöhnlich klingt.

Lediglich Noah "40" Shebib bringt für "Actin' Crazy" ein richtiges Brett aus langsam wabernden Synthies und trockenem Boom Bap mit. Darf man sich selbstverständlich nicht entgehen lassen, so eine Gelegenheit: "Opportunity be knockin', you gotta let a motherfucker in."

Ansonsten bewegt sich der "Easy Rider" in seiner gewohnten Offbeat-Stratosphäre über einen stimmigen Mix aus Soul und Jazz-Samples mit Rockgitarren und Piano-Loops, und sagt dabei schlaue Sachen wie: "Uh, all I do is eat oysters / And speak six languages in three voices [...]I'm in a robe dancin' salsa on the top floor / You would swear I'm Puerto Rican, but I'm not, Lord."

Natürlich hat sich der Überraschungseffekt dieser angenehm sinnlosen Zeilen über die Jahre abgenutzt. Der nicht vorhandene Zusammenhang zwischen Keri Hilson, Pferden und Austern sorgt zusammen mit Bam Bams Killerflow aber immer noch für Schmunzeln.

Dass "Mr. Wonderful" wirklich etwas fehlt, zeigt dann aber die verhinderte Romanze, die sich aus heiterem Himmel in "Thug Love Story 2017" auftut und sich über "City Boy Blues", "A Light In The Addict" und "Baby Blue" erstreckt. Der Versuch, eine halbwegs plausible, zusammenhängende Geschichte zu erzählen, scheitert daran, dass Bronsolino den roten Faden immer wieder in einem Knäuel seiner üblichen Nonsens-Lines verliert.

Bezeichnend, dass Chance The Rapper in einem einzigen Gastpart auf "Baby Blue" die Quintessenz der Lovestory herausarbeitet. Mit ebenso einfachen wie unterhaltsamen, vor allem aber nachvollziehbaren Zeilen erzählt er das, was Action Bronson in drei Tracks zuvor nicht konnte - oder wollte: "I hope every soda you drink already shaken up / I hope your dreams dry like raisins in the baking sun / I hope your titties all saggy in your early 20's / I hope there's always snow in your driveway".

Spätestens wenn das rockige "Only In America" die vier-Song-Romanze für beendet erklärt, bestätigt sich das Gefühl, jeden Track von "Mr. Wonderful" mit einem beliebigen anderen auf "Saaab Stories" oder "Blue Chips" austauschen zu können, ohne Sinn, Zusammenhang oder Sound dabei merklich zu beeinflussen, geschweige denn zu verändern.

Spaß macht das alles zwar trotzdem. Wer sich aber neue Impulse, vielleicht sogar eine ganz neue Herangehensweise von Action Bronson gewünscht hat, wird enttäuscht. Die 13 Tracks klingen in ihrer Gesamtheit nicht anders als seine Mixtapes, und genau das wollte er vielleicht auch so. Dieser gewohnt chaotische, rohe und unperfekte Stil macht "Mr. Wonderful" zweifelsohne zu einem starken Bronson-Tape, aber eben nicht zu einem wirklich starken Album.

Trackliste

  1. 1. Brand New Car
  2. 2. The Rising
  3. 3. Terry
  4. 4. Actin' Crazy
  5. 5. Falconry
  6. 6. Thug Love Story 2017
  7. 7. City Boy Blues
  8. 8. A Light In The Addict
  9. 9. Baby Blue
  10. 10. Only In America
  11. 11. Galactic Love
  12. 12. The Passage
  13. 13. Easy Rider

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Action Bronson

Arian Asllani lässt sich mit zwei Dingen beschreiben. Zum einen sein Äußeres: Mit einigen Zentnern Lebendgewicht, üppigem rotem Vollbart und jeder …

1 Kommentar

  • Vor 9 Jahren

    Leider sogar schwächer als seine Mixtapes.

    Ich versteh auch nicht was die übermäßig langen Pausen sollen. Bei Terry hat man 'nen 2 Minuten Outro. Das Gesinge geht mir auch auf die nerven.

    Die alten Sachen wirkten ungezwungener. Hier hat man stellenweise das Gefühl, dass Dinge einfach lustig sein sollen, statt wirr aus dem Kopf geschossen.

    Ich bezweifle, dass Mr. Wonderful auch nur ansatzweise so oft durchläuft wie z.B. die beiden Blue Chips Teile. Ich erwische mich beim dritten Durchlauf schon immer wieder dabei bei einem Track weiterzuskippen.