laut.de-Kritik
Steve Sotos Vermächtnis: Schnörkellos in die Schnauze.
Review von Ulf KubankeDie Adolescents im Sommer 2018: Alles hätte so schön sein können. Endlich erfahren sie Anerkennung als Legende. Der zweite Frühling hielt Einzug mit dem superben "Manifest Density". Ihre Gigs laufen hervorragend. Auch nach knapp 40 Jahren Bandgeschichte hört man keinerlei Abnutzungserscheinungen. Sogar das neue Album ist längst eingetütet. Inmitten dieser rosigen Situation stirbt Kernmitglied Steve Soto überraschend am 27. Juni.
Das vorliegende Album "Cropduster" ist ein angemessenes Vermächtnis. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung steht die Band noch unter Schock. Geht es weiter? Falls ja, wie? Bilden die neuen Lieder lediglich ihren Nachlass, markieren sie das Ende oder simultan einen Neubeginn? Das muss sich erst noch zeigen.
Die Platte selbst jedoch macht quicklebendig dort weiter, wo ihr Vorgänger aufhörte. Sotos Abschied haut 18 Mal schnörkellos, knochentrocken und knallhart in die Schnauze. Für Amerikas Alt.Right und den gegenwärtigen POTUS ist es sogar ein kräftiger Stiefeltritt ins Gemächt.
Der "Cropduster" zeigt eindrucksvoll, wie perfekt sich die Adolescents ergänzen. Alle Texte schreibt wie immer ihr prägnanter Sänger Anthony Brandenburg alias Tony Montana alias Tony Cadena alias Tony Adolescent und alias Tony Reflex. So spielerisch der Frontman mit seinem Namen umgeht, so ernsthaft haut er Wortsalve um Wortsalve heraus. Brandenburgs Texte mögen nicht ganz so elegant formuliert klingen wie etwa die vom Kollegen Greg Graffin. Dennoch treffen seine sarkastischen Silben wie zielgenau geworfene Pflastersteine. Anspieltipp: "Just Because"!
Soto hingegen verkörpert hier einmal mehr den musikalischen Dreh- und Angelpunkt. Mehr als die Hälfte der energetischen Scheibe komponierte er allein. Als musikalischer Chef im Ring hinterlässt der Bassist eine Lücke, so breit wie der Grand Canyon. Trotzdem besteht Anlass zur Hoffnung.
Das liegt vor allem an Gitarrist Ian Taylor. Der befindet sich zwar erst seit zwei Jahren an Bord, setzte aber von Beginn an deutliche Akzente. Bereits zur letzten Scheibe steuerte er den Brandsatz "Nightcrawler" bei, eines der besten Stücke in der Karriere der Adolescents. Auf "Cropduster" baut er den positiven Eindruck weiter aus. Immerhin vier Tracks gehen auf Taylors Konto. Besonders "Silent Screams", "Choke And Killswitch System" und der "Miranda Panda" explodieren als melodische Granaten.
Den Schlusspunkt setzt das charismatische Brandenburg/Soto-Lied "Pray For Armageddon". Der Gedanke, hier Sotos unwiderruflich letzten Song zu vernehmen, fördert eine Träne zutage. Aber auch ein Lächeln. Catchy, bitter und spöttisch empfiehlt sich der Track als ehrwürdiger Abschluss eines kompromisslosen Musikerlebens. "Just pray, just pray, just pray."
1 Kommentar
assoziiere ja viel mit den alben von adolescents, aber " knallhart in die schnauze" war da jetzt eher nicht dabei.
anyway, freu mich jdf. mächtig aufs album, haben sich in den letzten jahren so mit zu meinem fave im bereich melocore gemausert.