laut.de-Kritik
Wer noch "Mambo No. 5" auflegt, wird auch dieses Album feiern.
Review von Sven KabelitzDa vorne, der Trend! Hinterher! Alice Francis und ihre Produzenten schwingen sich auf die Pferde. Hoch zu Ross geht sie los, die Jagd nach dem neusten Hype. Ist die Hundemeute erst einmal losgelassen, bleibt dem Wild nur noch wenig Zeit. Schon bald wird sein Fell ganze Alben umhüllen.
Der Name des Hypes: Elektroswing. Die Musik der Roaring Twenties wird mit Elementen aus Electro, R'n'B und Hip Hop angereichert. Neu ist dabei höchstens die Obsession, mit der dies betrieben wird. Schließlich wird das dekadente und wilde Jahrzehnt alle paar Jahre mit aktuellen Sounds unterlegt und durchs Dorf getrieben. Wenn uns nichts mehr einfällt, greifen wir auf den Charleston zurück. Tonight we gonna party like it's 1929.
Alice Francis übernimmt mehr und mehr die führende Rolle bei dieser Parforcejagd. Doch wo mich Miss Kookies poppige Fernsehgarten-Version der Schose noch mit einem starken Augenzwinkern besänftigen konnte, nimmt Miss Flapperty den Spaß ernst. Eine nötige ironische Distanz auf diesen hanebüchenen Lifestyle im Vorvorgestern fehlt vollkommen. Das macht es nicht gerade besser.
Dabei lässt sich diesem Maskenball kurzzeitig sogar etwas abgewinnen. Miss Francis versprüht in den Singles "Shoot Him Down!" und "St. James Ballroom" durchaus Charme. Sie kiekst, haucht, jauchzt und schauspielert sich frivol und elegant durch die Songs. Mal gibt sie Billie Holiday, mal Eartha Kitt, ohne jedoch an die Klasse und Bissigkeit der Originale heranzukommen. Doch spätestens nach dem dritten Track zerrt das ewig gleiche Konzept, das sich durch den kompletten Longplayer zieht, erheblich an den Nerven.
Vollkommen egal ob die Lieder nun "Gangsterlove", "Get A Wiggle On" oder "A Flapper's Diary" heißen, alles folgt dem selben Muster und rieselt munter am Ohr vorbei. Nichts passiert. Die größte kreative Leistung in dieser viel zu engen Korsage bleibt, "French Affair" mit einer Quetschkommode zu unterlegen. Respekt. Bohlen könnte es nicht besser.
Lediglich drei Songs brechen aus. "I Pimp You" grenzt sich am deutlichsten ab und gibt eine arg kraftlose Version des "Free Your Mind"-R'n'Bs der Neunziger. Durch "Cakes & Applepies" jazzt und jodelt sich Francis seltsam distanziert und gefühllos. Wenn sie dann aber in "Sandman" mit einer akustischen Gitarre ein minimalistisches Umfeld vorgibt, dies aber mit ärgerlichen Stimmeffekten und beschackertem Geqietsche ruiniert, ist der letzte Wohlwillen verflogen.
Vielleicht mag "St. James Ballroom" für manch einen Heranwachsenden, der das Spiel mit den 1920ern noch nicht erlebt hat, funktionieren. Auch der ein oder andere Mittvierziger, der immer noch gerne "Mambo No. 5" auflegt, wird das Album feiern. Das Bananenröckchen von Josephine Baker bleibt indes in der Klamottenkiste. Für echte Ekstase bleibt Francis zu schal und glatt poliert. Miss Flapperty sollte sich bereits auf die Jagd nach einem neuen Trend machen. Dieser hier reicht nicht einmal, um ihr Debüt zu tragen.
7 Kommentare
Lieber Sven,
deine Kritik erstaunt mich sehr. Ich kenne das Album und bin da ganz anderer Meinung. Mich begeistert die Mehrzahl der Songs. Wenn sich eine bestimmte Note durch's Album zieht - why not? - der Wiedererkennungswert dieser Künstlerin ist hier ja offensichtlich hervorragend eingearbeitet.
Offensichtlich vertrittst du auch die Meinung, Miss Francis sinne darauf Billie Holiday oder Eartha Kitt zu imitieren. Das ist eine grobe Fehlannahme. Vielmehr werden Elemente der 20er mit modernen Einflüssen verknüpft und die damalige Musik neu interpretiert. Dies schafft eine völlig neue und gleichzeitig eine einzigartige musikalische Richtung. Hier einen Vergleich zeihen zu wollen zum Original halte ich für die falsche Herangehensweise dieses Album zu bewerten.
In meinen Augen Ohren ist es Alice Francis und ihrem Team gelungen die Hochzeiten einer vergangenen musikalischen Ära mit ausgewählten modernen Elementen zu kombinieren und einen unverkennbaren und einzigartigen Sound zu kreieren. Damit nicht genug, sie bringt eine komplette eigens erschaffene visuelle "Welt" drum herum gleich mit.
Thumbs up Miss Francis, loving your Album!
ENDLICH jemand der ahnung von gute musik hat und es in absolut deutlichen worten festhält....wie in den anderen 9 1/2 von 10 von dir verfassten kritiken...diese fesselnden und doch so aussagekräftigen argumente die einem um die ohren gehauen werden.. einfach phänomenal !!!!
google benutzt?? da ich dich, netter (ich mag das wort "nett" nicht) sven, leider nicht persönlich kenne und man leider nicht an deiner facebook seite schreiben kann (wohl zurecht und zum glück deinerseitz) möchte ich mir natürlich kein BILD von dir machen XD ...obwohl.. ich könnte ja google benutzen... na was solls....(viele sprachlose gedankenlücken, da deine kritik noch in meinem kopf rumhallt) wenn man mal ne eigene meinung hat... einfach mal manchmal die fresse halten ! gruß suny
THUMBS UP miss francis !!! still didnt heard your album =D
Ja herrlich. Habt ihr euch hier extra nur angemeldet, um diesen Müll kundzutun? Und überhaupt: Was habt ihr denn für eure Postings bekommenn? Eine CD mit persönlicher Widmung? Einen Gästelisten-Platz beim nächsten Konzert? Klingt alles sehr gewollt und durchschaubar...
Ich finde es ein sehr gesundes Zeichen, wenn es mehr als eine Meinung zu einem Thema (oder eben einer Platte) gibt. Wenn wir alles alles gleich finden würden, wär's doch furchtbar. Und nun geh ich wieder Catgroove hören
Caspian rocken derzeit die Scheiße fett. Hör mal da rein. Oder Moon Duo. Echt cooles Zeug!!!!
@suny
Ja? Hui, echt jetzt? Jetzt hast du es mir aber gegeben. Und wo ich herkomme und wo ich so aufgewachsen bin, bedarf gegenüber dir keiner näheren Erklärung. Und klaro wurde ich von Sven bestochen: Und zwar in Form eines Tütchens Gummibärchens. Alles halb so wild und Stock aus'm Arsch...
P.S.: Guck', jetzt sind es schon fünf Postings.