laut.de-Kritik
Körper schläft, Geist geht auf Reisen.
Review von David HilzendegenEs hat eine ganze Weile gedauert, bis mich "Clockwork" tatsächlich für sich gewann. Zu groß war zunächst die Enttäuschung über die vermeintlich fehlenden Raffinessen, die mich den Vorgänger "French Cuisine" bis heute in den Himmel heben lassen.
Nach mehrmaligen Hören zündete das Uhrwerk schließlich doch: Das ist der Sound, den der Regen machen würde, könnte er Instrumente bedienen. Ein bißchen alltäglicher und reiner als der Vorgänger, weniger groovegetränkt, aber rhythmisch auf den Punkt wie Graupel nachts am Schlafzimmerfenster.
Schon beim ersten Titel heißt es Abschied nehmen, auf den Klangwellen von Piano und Bass reitend. Doch, die Raffinessen sind vereinzelt vorhanden. Hier zischend und dort knarzend verschwinden die Stücke immer wieder in ekstatischen Sphären zwischen Kindergelächter und Vinylrauschen.
Der Körper bleibt still, während der Geist unaufhörlich weiterreist. Zunächst allerdings auf steinigen Pfaden mit der Memphislegende Tony Joe White als Weggefährten. Legende hin oder her, die monotone Schwachstelle der Platte wird glücklicherweise umstandslos ausgebügelt.
Die Platte sollte unbedingt live eingespielt werden, weswegen sich Herr Tree in Nashville nach Musikern umsah. Gefunden hat er einen Haufen Künstler, die dem Album ein ungeheuerliche Tiefe verleihen, ohne je aufdringlich oder gar erzwungen zu wirken.
Vocalstücke wechseln sich mit weitgehend instrumentalen ab, französische Titel mit englischen. Kurzweilige Nummern wie "Mai" führen ein in nicht enden wollende - und schon gar nicht müssende - cinematische Orgien wie "Que Tu" oder "Timestretched".
Nach 46 Minuten schließlich folgt das Erwachen. Die Erde hat sich in der Zwischenzeit doch weitergedreht, das Vakuum, das "Clockwork" erzeugt hat, verflüchtigt sich. Wenigstens für ein paar Minuten, denn dann beginnt der Hidden Track.
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