laut.de-Kritik
Möööp: Alles war die Sekte.
Review von Dani Fromm"Sigi, wenn du es nicht wusstest, dann weißt du es jetzt: Alpa Gun ist busy und ab jetzt sein eigener Chef." Nicht nur Sido sollte nach "Ehrensache" Bescheid wissen: Sein ehemaliger Grasticker, Sidekick und Chauffeur hat sich emanzipiert und dreht inzwischen sein ureigenes Ding.
Die Erfahrung lehrt: Außendarstellung und Wahrnehmung aus der Innenperspektive klaffen zuweilen ordentlich auseinander. "Alles War Die Sekte", so Alpa Guns bittere Abrechnung mit der ehemaligen Crew, in deren Reihen offenbar auch nicht alles Gold, manches vielmehr "fürn Arsch", "gar nix okay und "alles Lüge" war.
Schonungslos zerrt er Wahrheiten ans Licht, breitet seine Sicht der Dinge aus. Die Enttäuschung darüber, selbst auf der Strecke geblieben und dort im Stich gelassen worden zu sein, tönt aus jeder Zeile. Der stimmige Beat mit drückenden Drums, Klavier und durch den Hintergrund wehenden gutturalen Gesängen unterstreicht das Gefühl der Tragik.
Doch Alpa Gun entpuppt sich nicht als der Typ, der sich im Selbstmitleid erst suhlt und dann dort häuslich einrichtet. Er tut zwar - gerne auch wiederholt - seinen Unmut über den Lauf der Dinge kund, zieht sich dann aber doch lieber an den eigenen Haaren aus dem Sumpf, anstatt darin zu verotten. Mit "Ehrensache" liefert der nun wohl auf immerdar ehemalige Sektierer ein Statement ab, das vordringlich einen Eindruck hinterlässt: den der kompromisslosen Ehrlichkeit.
Nichts riecht nach Pose, nichts wirkt aufgesetzt. Was auch immer Alpa Gun berichtet, erzählt er so dermaßen im vollsten Brustton der Überzeugung, dass es schwer fiele, ihm nicht zu glauben. Wenn "Alpa Gun 2012" sich selbst als Deutschraps Rettung, als "Meister Aller Klassen" inthronisiert ("Auf mir liegen die Hoffnungen"), und "Ehrensache" als "das meist erwartete Album nach 'Detox'" anpreist, ging dem längst eine sympathisch realistische Selbsteinschätzung voraus: "Ich bin auch nicht grad' der beste, trotzdem mach' ichs im Alleingang."
Konfliktscheu operiert er dabei nicht gerade: Nicht nur in "Alles War Die Sekte" rechnet er mit seinen ehemaligen Mitstreitern ab. Wohin man schaut, stichelt Alpa Gun gegen handverlesene Kollegen oder zieht gleich die komplette C-Prominenz des Landes durch den Kakao. Als hingebungsvoller Hip Hop-Jünger weiß er aber, was in einer auf Abwegen geratenen Kultur zu oft in Vergessenheit gerät: Dass die Reime einst keinen Ausdruck des Hasses darstellten, sondern einen Ausweg aus demselben bieten sollten, ruft Alpa Gun schon mit dem Intro zurück ins Bewusstsein. In diversen Skits erläutert er zudem seine Vorstellung von Loyalität, Respekt und Stolz.
Seinen Geschwistern huldigt Alpa Gun in "Hauptsache Dir Gehts Gut", einem hinter Gittern befindlichen Freund widmet er das nicht minder nachdenkliche "Habibi Dervis". "Leb Wohl" legt das Ende einer Beziehung, der Eifersuchtsszenen den Garaus machten, auf den Seziertisch - arg poppig ausgestaltet zwar, aber doch nachvollziehbar in seiner klaustrophobischen Unumkehrbarkeit.
Alpa Gun gestattet sich durchaus den einen oder anderen sentimentalen Anfall, riskiert zum Ausgleich aber auch scharfe Blicke, die über Bauchnabel und Tellerrand hinaus reichen. "Almanya" thematisiert über (nicht grundlos) hymnischem Beat die Situation von Gastarbeitern, die sich für deren Nachfolgegenerationen zwar anders, mitunter aber kein Stück weniger problematisch präsentiert.
"Sind Wir Nicht Alle Ein Bisschen ..." poliert gleich im Anschluss "Sarrazins Wunderlampe". Alpa Gun konfrontiert seine ausländische wie seine deutsche Hörerschaft mit auf beiden Seiten zäh festsitzenden Vorurteilen - zusammen mit Fler, dem hier vollste Anerkennung gebührt, pustet er nicht wieder so krampfhaft wie zusammenhanglos die Vokabel "maskulin" in den Wind.
"Nichts ist, wie es war, man muss die Grenzen neu ziehen", beleuchtet "Das Neue Berlin" die Veränderungen, die die um sich greifende Gentrifizierung nach sich zieht. Beschleunigung und Wachstum stellen alteingesessene Hauptstadt-Bewohner vor neue Herausforderungen: "Berlin ist nicht mehr unser", konstatiert Alpa Gun erschütternd nüchtern. Endlich erzähl einmal einer wirklich etwas von den Straßen Berlins.
Die Beathoavenz, die den Großteil des Albums musikalisch ausgestalteten, haben stets den richtigen Beat parat. Sie lassen "Meister Aller Klassen" wie einen pompösen Sandalenfilm, "Almanya" wie direkt der kulturellen Kluft zwischen Orient und Okzident entsprungen klingen, und legen dem Ikonen-Namedropping in "Hip Hop" ein angemessen knackiges Fundament.
Für seinen "Arab Style", in den Alpa Gun türkische Brocken einflicht, steht zudem DJ Rocky an den Reglern. Auf sein Konto geht auch "Alpa Gun 2012" mit fluffigen G-Funk-Flavour, wie direkt von der frühen Westcoast importiert.
"Was Bist Du" mit hämischem "Blutzbrüdaz"-Seitenhieb bereichert Kool Savas um seinen "Helicobacter-Flow". Sein kleiner Bruder Sinan, über dessen Verbleib ich seit "John Bello 1"-Tagen hin und wieder rätsele, schaut in den Bonus-Tracks der Premium Edition vorbei, "Ehrensache". Zudem versammeln sich hier PA Sports, Big Baba, Toolate, Mosh36 und der Atzenkeeper, "oldschool wie Graffiti ohne 3D-Effekte", zum "Arabstyle Strassenremix".
Den würdigen Schlusspunkt hat Alpa Gun da allerdings längst gesetzt. Die gewöhnungsbedürftige Hook von Moe Mitchell, der nun endgültig klingt, als habe er sich irgendwo die Eier eingezwickt, mal außen vor gelassen, begeistert "Bevor Ich Geh" mit würdevollem, Streicher-dominierten, raumgreifenden "Aura"-Vibe. Alpa Gun formuliert seinen letzte Willen und zugleich den Anspruch an sich selbst: "Ich bin gerade bis ans Ende meiner Tage." Dem jüngsten Gericht lässt sich so gelassen entgegen sehen.
17 Kommentare
Hmm, okayer Rapper...aber was soll das Namedropping bei "Meister aller Klassen"? Unnötig!
"Die gewöhnungsbedürftige Hook von Moe Mitchell, der nun endgültig klingt, als habe er sich irgendwo die Eier eingezwickt, mal außen vor gelassen"
haha...freue mich schon auf die Album-Rezi!
Habs nicht gehört, aber 4 Sterne? Jetzt ernsthaft? Alleine wegen "Alles war die Sekte", was meiner Meinung nach unterirdisch ist kann das Album nicht über 2 Sterne hinaus
@stummerzeuge: hör bitte endlich mit dem jubelpersertum auf. du kannst doch gar nicht beurteilen ob der sympathisch ist oder nicht. werd bei simfy mal reinhören. kommt eigentlich auch ne boz review?
erstes gangstarap album seit "Ich" mit vier Sternen?
Jetzt mal ganz unabhängig von der Chart-Platzierung kann sich das Album definitiv sehen lassen, was ich ihm persönlich nie zugetraut hätte. Fast schon ein Wunder, dass zwischen all den Cros, Orsons und Caspers auch noch Platz für echten Rap ist, der nicht aufgesetzt rüberkommt, aber trotzdem nicht langweilt.
Ach ja, "Alles war die Sekte" = Mega-Über-Hit des Jahres... Bisher zumindest
InNo hats mal wieder gut auf den punkt gebracht