laut.de-Kritik

Raus aus der Komfortzone.

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"CaneyRecordz soll für mich ein neuer Start sein. Und sie alle sagen: Das wurde nach all den Jahren Zeit." Ja, in der Tat schrien die beiden rückwärtsgewandten letztjährigen Veröffentlichungen "Walther-P" und "Alpa Cino" förmlich nach einer stilistischen Neujustierung. Zwar eröffnete Alpa Gun auch sein letztes Werk mit ähnlichen Worte ("Alles auf Null, nochmal von vorn"), doch mit taufrischer Labelheimat im Rücken soll "Ehrensache Reloaded" nun wirklich die viel versprochene Wiedergeburt einleiten.

Doch erst einmal gilt es erneut die Vergangenheit aufzubereiten. Im "Intro" bereitet er seine Diskografie auf, bevor er sich in "Immer Noch Ausländer" zum wiederholten Male auf seine Erfolgssingle beruft, deren inhaltliche Ausrichtung nun aber aktueller denn je erscheint: "Wenn wir gewinnen, Caney, dann sind wir Deutsche, kein 'aber'. Wenn wir verlieren, dann sind wir Ausländer, die einwandern. Sie bekommen Hass, denn sie seh'n uns in 'nem AMG. Kranke Welt, 13% Stimmen für die AfD."

Zwar geht er weniger gewitzt als Eko Fresh in seinem Überraschungshit "Aber" vor, doch mit der Einflechtung der Özil-Debatte oder den Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte verpasst er "Ausländer" ein relevantes Update. Während ihm die inhaltliche Aktualisierung des Themas gelingt, herrscht jedoch offenkundig keinerlei Interesse, die musikalische Komponente nennenswert weiter zu entwickeln.

"Autotune und Billig-Texte – nein, das war noch nie mein Stil. Nach einem Hit macht mir jeder einen auf VIP." In seinem geräumigen Glashaus scheint Alpa Gun leider nicht die Ironie hinter der Fixierung auf den einmaligen Hit zu erkennen. Auch seine auf "Braveheart" artikulierte Abneigung gegenüber minderwertigen Songtexten erkennt der Hörer beim folgenden "Klick Klick" nur noch mit Mühe: "Guck mich an, ja man, ich sorge für Unterhaltung. Sie will ein Bild mit mir im Fotoalbum. Alpa Gun fehlt jetzt noch in ihrer Sammlung. Sie will ein Bild mit mir im Fotoalbum."

Dennoch fällt "Klick Klick" deutlich aus Alpa Guns bekanntem Rahmen, da er sich dafür in ungewohnten Dancehall-Gefilden bewegt. Auch an der Seite von Double M in "Bombardement" sowie in "Cabriolet" bedient er sich am Plastikpalmen-Sound, wobei er insbesondere im Falle des Letztgenannten unter Beweis stellt, dass er die inhaltliche Reduktion auf Sonne, Scheine und Sportwagen verinnerlicht hat, die der Stil gierig zu fordern scheint: "Radio, Radio, meine Mucke läuft im Radio. Haribo, Haribo, meine Welt ist so bunt so wie Haribo."

Double M verkörpert jedoch die nötige gute Laune deutlich glaubhafter als der stets etwas missmutig auftretende Alpa Gun. Es spricht für den Hauptdarsteller, dass er seinem Schützling Raum zu Entfaltung gibt und sich in beiden gemeinsamen Beiträgen mit der Nebenrolle begnügt. Der Berliner kann kaum verhehlen, dass er "Ein Mann Ein Wort" in Wahrheit als reinen Werbesong für sein Label konzipierte: "CaneyRecordz, Double M ist jetzt bei mir gesignt."

Zum Abschluss liefert er mit "Guck Nicht So" einen weiteren Relevanz stiftenden Beitrag, der sich mit dem vor allem in dieser vorweihnachtlichen Zeit augenfälligen Thema der Obdachlosigkeit beschäftigt. Äußerst gelungen versetzt sich Alpa Gun in die Lage der Wohnungslosen, um sich zunehmend hineinzusteigern: "Ich will nur etwas Warmes haben in mein' leeren Magen. Will nur 'ne Umarmung von wem haben, der mich liebt. Lieber Gott, ich warte auf dem Weg zum Paradies. Jede Nacht hoff' ich, dass ich einfach nicht mehr aufwach'. Für sie bin ich doch nur 'ne kleine Plage auf ihrem Schauplatz."

Wie so oft zeigt der abschließende Song, welches Potenzial in der weiteren musikalischen Reise stecken könnte. Für einen echten Neubeginn müsste der ehemalige Sekten-Rapper einfach mal die glorreiche Zeit von "Ausländer" und die Enttäuschung gebrochener Loyalitätsversprechen früherer Kollegen vergessen. Zudem sorgt das 100. "Scarface"-Voice-Sample maximal noch für genervtes Augenrollen. Und wenn die Stimme wie im "Stalker"-Refrain auf arg abschüssige Bahnen zu geraten droht, sollte lieber ein Gastmusiker die Gesangseinlagen beisteuern. Dennoch bleibt für den Moment lobenswert, dass sich Alpa Gun mit "Ehrensache Relaoded" in Trippelschritten aus seiner Komfortzone bewegt.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Immer Noch Ausländer
  3. 3. Tag 1
  4. 4. Hayat
  5. 5. Cabriolet
  6. 6. Bombardement (mit Double M)
  7. 7. Karma 2
  8. 8. Meine Welt
  9. 9. Braveheart
  10. 10. Klick Klick
  11. 11. Ein Mann Ein Wort (mit Double M)
  12. 12. Stalker
  13. 13. Cak Güzel (mit Burak)
  14. 14. Guck Nicht So

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