laut.de-Kritik
Die Hungener Hellboys blicken auf vierzehn Nummer-eins-Alben zurück.
Review von Dominik LippeDie letzten Böller verhallten noch in der Ferne, als die Schlagerschmiede Telamo das noch schlaftrunkene Jahr in seinen musikalischen Würgegriff nahm. "Frei Und Grenzenlos" segelte Daniela Alfinito auf die Spitzenposition der deutschen Charts. Nur das "Mitten Im Feuer" geborene Duo Fantasy setzte genügend Kaufkräfte im Land frei, um ihr diese Position streitig zu machen. Und nur eine Woche später traten die Endgegner auf den Plan. Zwei seit Jahrzehnten teilnahmslos wirkende Barden, die jeden kommerziellen Gegner im Handstreich pulverisieren: Die Amigos.
Für ihr "Best Of" greifen die stoischen Schlagersänger aus ihren nunmehr vierzehn Nummer-eins-Alben je einen Song und das obligatorische Medley heraus. Den "typischen Amigos-Sound" zweier "Ausnahmekünstler" verspricht der Pressetext vollmundig und meint damit, dass sämtliche ihrer Aufnahmen der letzten zwei Jahrzehnte nahezu identisch klingen. So wie die stets gleichartigen Cover ihrer Werke nur den Green-Screen durch wechselnde Desktophintergründe ersetzen, geben sie zum immergleichen Rhythmus dieselben Texte mit unveränderter Leidenschaftslosigkeit zum Schlechten.
Ihre Songtexte folgen offenbar einer Methodik: Sie schreiben die Wörter 'Traum', 'Liebe', 'Herz', 'Vertrauen', 'Engel', 'Zärtlichkeit' und 'Gefühl' in möglichst großer Zahl auf Zetteln, werfen sie in eine Lostrommel und ziehen sie dann wahllos heraus. Dann gilt es nur noch, den Hit im Studio über den billigst möglichen Synthie-Sound einzusäuseln. Wenn sie den Standard-Kitsch umschiffen, schlagen sie entweder martialische Schlachten gegen die Zeit und Feuergewalten oder sie begeben sich wie in "Sommerträume" gänzlich auf ein Teletubby-Niveau: "Wenn die Sonne lacht, hat sie dein Gesicht."
Den dräuenden Untergang rufen sie etwa in "Mit Dir Bis Ans Ende Der Zeit" herauf. "Für dich würd' ich sogar sterben", bereiten sich die Hessen auf die baldige Endzeit vor, um schicksalsergeben und seltsam fröhlich in die Katastrophe zu laufen: "Sind wir für den Himmel bereit, gehen wir Hand in Hand in die Ewigkeit." Dabei sind sie doch noch "Im Herzen Jung". "Den Lauf des Lebens kannst du nicht besiegen", erkennen die Amigos im Angesicht ihres Endgegners. Kampflos ergeben sie sich der vermaledeiten "Uhr des Lebens" freilich trotzdem nicht.
Je profaner das musikalische Setting, desto kriegerischer fallen ihre Ausführungen aus. "Du bist wie ein Feuerball, der in mir explodiert", schildern sie in "110 Karat" ein Szenario, um das sich früher wohl Bruce Willis hätten kümmern müssen. Mal brennt ein Feuer im Herzen ("Mein Himmel Auf Erden"), mal entzündet sich an gleicher Stelle gleich ein ganzes Feuerwerk, das dann "wie Feuer im Vulkan brennt" ("Wie Ein Feuerwerk"). Und "nur die Hölle ist noch heißer", schmachten die Hungener Hellboys ihre Angebetete im "Hitmix 2019" an: "Ich geh' durch 1.000 Fegefeuer für dieses eine Abenteuer."
Den Rahmen des Wahnsinns verlassen sie nur in "James Dean" aus ihrer Nostalgie-Kompilation "50 Jahre: Unsere Schlager Von Damals". Mit angerauter Stimme hauen sie in die Tasten, um sich musikalisch dem Truck Stop zu nähern, wo kernige Kerle nach langer LKW-Fahrt im Nirgendwo rasten, um sich üppige Fleischmengen zuzuführen. Dazu erzählen sie von ihrem freiheitsliebenden Kumpel, der sich im "Meer der Einsamkeit" verliert. Der Versuch eines Konzeptes sticht hervor, vor allem wenn sie dann in "Spiel Nie Mit Dem Feuer" wieder Nebenbuhler ausknocken: "Was will der Typ von dir?"
Während der verhinderte Rockmusiker Ikke Hüftgold mit seiner Rolle hadert und sich der jüngst verstorbene Tony Marshall als ausgebildeter Opernsänger stets unter Wert verkauft hat, wirken die Amigos mit sich im Reinen. Und da sie mit der Selbstironie eines Friedrich Merz gesegnet sind, verteidigen sie ihr Schaffen gegen Kritik wie eine Löwenmutter ihren Nachwuchs. "Die finden das, was sie da in der Garage von Karl-Heinz zusammenzimmern, wirklich richtig gut", fasste es Oliver Kalkofe zusammen. Weder können sie "darüber lachen" noch "verstehen, dass das jemand komisch finden könnte."
14 Kommentare mit 20 Antworten
14 Nummer-Eins-Alben pulversieren auch jegliche Gegenargumente.
In meiner Hose wohnt ein Iltis.
Ich hab ihn lang nicht mehr gesehen.
Doch manchmal höre ich ihn knabbern
und mir auf die Eier gehn.
In meiner Hose wohnt ein Iltis,
er ist schon alt und kann schlecht sehen.
Hat nur ein Auge, Glatze, doch ich find ihn wunderschööö-ööö-ööö-n.
Heute im Fernsehen: Die Giovanni Zarrella Show
Mit Kerstin Ott, Roberto Blanco und den Amigos!
Was Amigos⁇
DAS ist richtiger Schlager: https://youtu.be/P8rRHhLu7_4
Die Sunscheins aus Nordhessen! Outsider-Schlager-Kunst
Die Schlagerpiloten sind mittlerweile echt geiler. Da müssen die Amigos erst einmal nachlegen.
Tatsächlich sind die ganz frisch auf meinem Radar aufgetaucht. Es geht tatsächlich immer noch eine Spur grausiger.
niemand fikkt mit gerhard mueller
https://youtu.be/6p59w2IpC6Y
Der Wahnsinn ist nur eine schmale Brücke.
Dieser Kommentar wurde vor einem Jahr durch den Autor entfernt.
Ich habe einen riesengroßen Respekt dafür, sich in Pilotenuniformen zu schmeißen, vor Palmen zu posieren und "Die Sterne von Santo Domingo" zu singen und so ein Konzept bis zum bitteren Ende durchzuziehen. Menschen singen und klatschen dazu mit. Das ist völlig legitim. Ob man die Musik erträglich findet, ist völlig subjektiv. Ich kann mir das Ganze nur aus masochistischen Gründen geben.
Die Schlagerpiloten sind nur leider immer noch ein Scheißdreck gegen SchlagerMetall.
https://youtu.be/CE7puICC-9w
Laut und hart, stark und schnell!
Das Ding hatten doch schon Tankard in den 90ern als Tankwart durchgezogen.
https://www.youtube.com/watch?v=A6N1rPVRSdM
Kann eigentlich nicht allzu lange vor oder nach Sodom gewesen sein, deren Ausflug ins Schlager-Lager Tom Angelripper mW überhaupt erst zu seiner später und solo gebrachten Albenreihe vermeddelter folkloristischer Saufhymnen und Stammtisch-Sonetten inspirierte...
https://invidious.fdn.fr/watch?v=c-dTzguESSg
Kurz danach. Zeitgleich hatten Tankwart aber schon das "Aufgetankt"-Album, auf dem die "Skandal im Sperrbezirk" vermeddlt haben.
Wenn ich die VÖ-Daten aber mal abgleiche, waren Sodom mit ihrem Cover schon ein klein wenig eher dran.
Aber haben Tankard und Sodom auch in einem Nachmittagsslot auf der Zweitbühne des Solinger Dürpelfestes gespielt?
Touché..?