laut.de-Kritik

Die Finnen stehen zeitweise knietief im Kitsch.

Review von

Amorphis haben eine ähnliche Entwicklung wie Paradise Lost oder Megadeth hinter sich - und sie stecken auch tief im gleichen Dilemma fest. Die Finnen haben in den 90ern einen ziemlich eigenen Stil entwickelt und zwei hervorragende Alben ("Tales From The Thousand Lakes" und "Elegy") veröffentlicht. Anschließend kam eine Phase mit experimentellerer Musik - mit dem Ergebnis, dass sich enttäuschte Fans in Scharen abwandten.

Und seitdem orientiert sich die Band musikalisch nach hinten, will gleichzeitig aber nicht so zu klingen, als wär noch 1996. Diesen Spagat versuchen Amorphis jetzt, seit Tomi Joutsen den Posten am Mikrofon übernommen hat. Auch das aktuelle Album "Circle" klingt nach den Amorphis jüngerer Prägung. Die singenden Gitarren, die Folk-Melodien (hier öfter mal mit leichtem Kelten-Einschlag), die Keyboard-Teppiche, die poppigen Refrains, es ist alles da.

Dennoch gibt es auf "Circle" zwei ohrenscheinliche Veränderungen: zum einen ist es das erste Album seit zehn Jahren, das nicht von Marco Hietala produziert wurde, sondern von Peter Tägtgren, dem alten Hypokriten. Er hat der Band einen etwas rauheren Sound verpasst, der Klang ist nicht mehr ganz so poliert wie auf "The Beginning Of Times". Der neue Bassist Niclas Etelävuori geht trotzdem gnadenlos im Mix unter. Dafür gibt es keine säuselnden Frauenstimmen mehr, eine grauenhafte Nummer wie "Mermaid" sucht man vergebens.

Die zweite große Neuerung: Texter Pekka Kainulainen bedient sich nicht mehr beim finnischen Nationalepos, dem Kalevala, sondern hat sich eine eigene Geschichte ausgedacht. Grob geht es um einen Outsider-Typen, der eine Verbindung zu seinen inneren Kräften findet und mithilfe eines Führers aus einer anderen Zeit sein Leben und seine Bestimmung ändert. Äh ... ja. Sagen wir so: Der ganz große lyrische Wurf ist es nicht geworden. "I never wanted to be born into this cruel world" wehklagt Tomi Joutsen beispielsweise in "Hopeless Days".

Überhaupt legt der gute Mann eine Theatralik an den Tag, die den durchschnittlichen deutschen TV-Kommissar vor Neid erblassen lässt. Aber man muss zugeben, das passt zum Rest. Denn Amorphis stehen zwischenzeitlich knietief im Kitsch. "The Wanderer" könnte mit seiner poppigen Pseudo-Härte auch ein HIM-Song sein, der Refrain von "A New Day" schlägt einen mit der Pathos-Keule krankenhausreif.

Die Growls wurden im Vergleich zum Vorgänger wieder etwas zurückgefahren. Dabei steht dieses Element der Band besonders gut. Die stärkste Nummer des Albums, "Nighbird's Song", setzt sogar auf leichte Black Metal-Anleihen und überrascht mit einem Querflöten-Solo. Ebenso heraus sticht "Enchanted By The Moon" mit einigen Tempowechseln.

Solche Songs bringen Abwechslung in die übliche Amorphis-Standardkost, davon in Zukunft bitte mehr. Fraglich bleibt, ob es eine gute Idee ist, ständig alte und neue Fans gleichzeitig bedienen zu wollen, aber irgendwie muss man sich als Band in Zeiten wegbrechender Plattenverkäufe ja über Wasser halten.

Trackliste

  1. 1. Shades Of Grey
  2. 2. Mission
  3. 3. The Wanderer
  4. 4. Narrow Path
  5. 5. Hopeless Days
  6. 6. Nightbird's Song
  7. 7. Into The Abyss
  8. 8. Enchanted By The Moon
  9. 9. A New Day

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Amorphis – Circle €13,79 €3,00 €16,79
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Amorphis – Circle (White/Gold Vinyl) [Vinyl LP] €26,31 €3,00 €29,31

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Amorphis

Anfangs wenig mehr als eine von vielen Death Metal-Bands, betreten Amorphis 1990 zum ersten Mal die Bühnen dieser Welt. Gitarrist Esa Holopainen und …

4 Kommentare

  • Vor 11 Jahren

    Es war einmal eine finnische Band namens Amorphis, die nahm in den 90ern drei gute Alben auf:

    - Karelian isthmus
    - tales from the thousand lakes
    - Elegy

    Danach wurde ihr Sound immer beliebiger, softer und langweiliger, bis keiner mehr sie hören wollte.

    Danach wollten sie wieder an ihre alten Plattenverkäufe anknüpfen und versuchten sich selbst 1:1 zu kopieren.
    Leider waren da aber schon ihre besten Bandmitglieder entschwunden und deshalb kommt heute von ihnen nur noch langweiliger, gequirlter Kitschkram hervor.

    Punkt.

  • Vor 11 Jahren

    "Laut-Redaktion"? Interessant. Keine Ahnung, das klingt ganz schön hart, wenn auch lustig. Ich erinnere mich nur noch an das letzte Alben von denen, was ich absolut beschissen fand. Aber ich muss sagen, die drei Tracks, die ich auf Metalblades youtube gehört habe, die waren doch ganz ordentlich bis relativ gut. :D

  • Vor 11 Jahren

    so ein veriss und drei sterne? wenn dann muss man das auch durchziehen und die sterne dem review entsprechend vergeben. so ist das doch lächerlich.

    ich hör das album jetzt zum dritten mal und finde es "ganz ok". @catweazel - die youtube previews fand ich auch gut. wennauch das schon die stärksten songs des albums sind.

    für "ganz ok" kann man (bzw ich) auch drei sterne geben.

    btw: ich fand das letzte album gut. und ich mag auch die frühen sachen. sich immer nur auf die gute alte zeit berufen ist ja schön und gut, bringt einen bei einem neuen album aber nicht weiter.

  • Vor 11 Jahren

    Kurz gesagt: Ich bin und bleibe Pasi-Fan (v.a. Elegy und Tuonela sind einfach genial), finde aber auch Karelian Isthmus und Skyforger echt klasse. Die neue Platte ist meines Erachtens eher mittelprächtig geworden. Die 3 vorab veröffentlichten Songs sind richtig gut (v.a. Shades of Gray und Enchented by the Moon begeistern mich richtig), aber das wars dann auch so ziemlich. Das Zeu ist sonst eher Durchschnitt und würde vllt. Bonusmaterial auf Skyforger sein, wenn überhaupt. Vor allem der viel zu geringe Einsatz von Tomis Growls enttäuscht mich. Vllt. liegt es aber auch daran, dass das Album für mich eine etwas zu positive Grundstimmung hat und die Folklore doch etwas in den Vordergrund ist...
    Naja, mehr als 3 Punkte sind es nicht
    Edit: nach mehrmaligem Hören wird das Album doch besser, ih vergebe 4 Sterne