laut.de-Kritik
Tiefgründige Texte, musikalisch falsch umgesetzt.
Review von Giuliano BenassiEin Veröffentlichungstermin Anfang des Jahres hat Amos Lee schon einmal Glück gebracht: Ende Januar 2011 stieg sein Album "Mission Bell" auf Platz 1 der US-Charts ein. Ein Überraschungserfolg, der sicherlich auch an der Musik und den vielen namhaften Kollabos lag, nicht unerheblich aber am Umstand, dass er in eine Übergangsphase der Datenerhebung fiel. Für die Top-Platzierung reichten gerade mal 40.000 verkaufte Tonträger, Streams wurden damals noch nicht berücksichtigt.
Elf Jahre und vier Alben später hat sich Lees Stimme kaum verändert, wohl aber die musikalische Begleitung. Auf Singer/Songwritertum folgten Country, Soul und R&B, jeweils mit einer folkigen Note. Diesmal kam der wohl größte Verpackungswechsel, denn "Dreamland" klingt nach Stadion-Poprock, für den der Produzent Christian "Leggy" Langdon (Banks, Meg Myers) verantwortlich zeichnete.
"Ich traf mich mit Leggy, über den ich eigentlich gar nichts wusste. Bevor wir mit der Arbeit begannen, führten wir ein sehr offenes und ehrliches Gespräch darüber, was in unseren Leben vor sich ging", so Lee. "Vieles von dem, was ich tue, ist einsame Arbeit, und es war gut, jemanden zu finden, mit dem ich mich verbunden fühlte".
Dass Vertrauen eine große Rolle spielte, überrascht nicht, schließlich legt Lee auch diesmal sein Innenleben offen, in mancher Hinsicht schonungsloser denn je. Er kämpfe schon immer mit Depressionen, erklärt er in der Pressemitteilung zum Album. "Im Laufe meines Lebens habe ich begriffen, dass Musik meine Brücke zu anderen Menschen ist. Ich habe keine Ahnung, wie das Wasser unter dieser Brücke aussieht - es könnte Lava sein, soviel ich weiß - aber die Musik ermöglicht es mir, über dem Ganzen zu schweben und eine Verbindung herzustellen. Für mich ist das der Grund, warum wir Musik machen: Um den Menschen etwas zu geben, das sie hören und von der Liebe eines anderen Menschen umhüllt werden können, und einfach daran erinnert zu werden, dass die Menschheit schön ist."
Rührende Worte, die musikalisch leider nur bedingt funktionieren, denn Lees warme, durchaus facettenreiche Stimme passt nunmal am besten zu Folk-Gitarren und Duettpartnern. Sie braucht weder viel Hall noch Schichten an Instrumenten, die zwar den Raum großer Hallen zum Schwingen bringen mögen, nicht aber den Hörer.
Das ist schade, denn mit seinen Texten versucht er, Wege aus der Hoffnungslosigkeit aufzuzeigen. "I'm not afraid to dream / Even when I can't stop shaking / Even when my heart is breaking", verkündet er im Opener. Das ist nicht immer so einfach, wie "Into The Clearing" zeigt, ein Stück voller Selbstzweifel, das in einem wohl eher düsteren Moment entstand. "Hold You" bietet Unterstützung ("You Fight through / I'll stand by you"), "See The Light" Durchhalteparolen ("Even when I know I'm crying / I'm smiling on the side / 'Cause I Know everything's gonna be alright"). "Clean" ist ein Hilferuf, "Invisible Oceans" zeigt, wie schwierig es manchmal ist, sich mit anderen Menschen verbunden zu fühlen.
Unplugged würden die Stücke sicherlich besser klingen - wie sich an der akustischen Version von "Worry No More" zeigt, die als Single erschienen ist. Vielleicht passiert das ja noch, denn wenn Lees Ziel darin bestand, neue Hörerschaften zu erreichen, hat sich die Mühe nicht gelohnt: Das Album hat in der Veröffentlichungswoche nicht mal den Einstieg in die US-Top 200 geschafft.
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