laut.de-Kritik
Wunderschöner Songwriterpop mit Countrywurzeln.
Review von Anja LindenlaubAm heutigen Tag, wohlgemerkt im Mai, herrscht Weltuntergangsstimmung am Himmel über Konstanz. Der Wind schüttelt die Bäume und die kaum durchbrechenden Sonnenstrahlen tauchen die dicken schwarzen Wolken in ein schauriges Licht. Zum Glück befinde ich mich sicher in der laut-Redaktion und lasse mich mit Musik beschallen, die die Sonne in mir zum Scheinen bringt. "The Brightness" von Anais Mitchell, einer Songwriterin mit sympathischer Quäkstimme, die mit ihrer Akustikgitarre und wunderschönen Texten daherkommt.
Auf ihrer dritten Platte, die Ani DiFrancos Label Rightous Babe Records produziert, verarbeitet die Sängerin in einer sehr einfühlsamen Weise die Erfahrungen, die sie an unterschiedlichen Orten der Welt gesammelt hat. Der Hörer reist mit der talentierten Musikerin durch die Welt: von Bethlehem nach Virginia, von New Mexico bis hin zu einer Reise in die Vergangenheit, in der die us-amerikanischen Wanderarbeiter, die Hobos, ihre Welt aus dem Innern eines vorbeirauschenden Güterzugs erfassen.
Das Akustikalbum verlässt nur selten seine leise Grundstimmung. "Your Fonder Heart" steigert sich stetig bis hin zu einem jubilierenden Chor, der zum Mitsingen einlädt. In "Shenandoah" kommen die Countrywurzeln von "The Brightness" in Form eines unaufdringlichen Banjos zum Vorschein. Auch der Jazz findet als kleines, improvisiertes Saxophonsolo in "Namesake" eine Verwendung in dem musikalischen Kleinod.
Je weiter das Album dahinfließt, desto mehr verschmilzt Anais Stimme, die stellenweise an Goldkehlchen Jewel erinnert, mit den Instrumenten. Das vorletzte Stück, einer der beiden Songs, in denen ein zartes Schlagzeug zum Einsatz kommt, stammt aus einer Folk-Oper über Orpheus und Eurydike, in der Anais als Schauspielerin mitwirkt.
Das dritte Kunstwerk der noch sehr jungen Anais Mitchell lässt keine Wünsche an ein Folk-Akustik-Album offen. Die Texte entspringen ihrem Herzen und werden von sehr einfühlsamen Melodien unterstützend begleitet. Während den Aufnahmen wohnte Anais in einer Mansarde über dem Studio in einer alten Vermonter Kornmühle. Morgens stand sie auf, rieb sich den Schlaf aus den Augen, nahm ihre Gitarre zur Hand und zeichnete ihre Songs im Pyjama auf. Lauscht man den knapp vierzig Minuten, spürt man die Freiheit und ihr Gefühl, mit denen sie die elf Songs einspielte.
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