laut.de-Kritik

Soul-Feuerwerk für Hip Teens in Cordanzügen.

Review von

Eine kleine Anekdote gefällig? Okay. Es muss so um 1993 gewesen sein, als sich der Rezensent eine Vinyl-Maxi beim "Acid Jazz"-Label in London bestellte. Schön oldschoolig damals mit Euroscheck im Luftpostbrief. Als Antwort kam eine handgeschriebene Entschuldigung, die Platte sei im 12-Inch-Format leider vergriffen, man habe mir als Trost aber die 7-Inch-Single beigelegt. War dem Autor auch recht.

Verblüffend nur: Der Scheck lag auch wieder mit dabei … Wochen später dasselbe mit der Bestellung des Bruders: Der gleiche Brief, wieder hatten sie kein Geld wollen. Verpeilt oder sympathisch? Man einigte sich auf eine Mischung aus beidem und war glücklich.

Knapp bei Kasse kann das englische Label damals wirklich nicht gewesen sein. Es lief bestens in der Blütezeit des "Acid Jazz", wie ja auch das Genre hieß, das man sich da geschaffen hatte. Als hätten die 60er und 70er Jahre nicht wirklich genug an bestem Funk, Soul und Jazz hervor gebracht, um sich ein ganzes Leben daran satt zu hören, entdeckten junge Londoner Musiker Ende der 1980er plötzlich ihre Liebe zum schwarzen Groove.

Altes wurde hervorgekramt und mit Neuem gemischt, eine ganze Reihe durchgestylter Retrobands wie Corduroy oder Mother Earth lieferten die Musik zum Schwoof in den Beatschuppen der zu spät Geborenen. Und kaum einer weiß noch, dass auch eine Band namens Jamiroquai damals bei Acid Jazz Records ihre erste Platte herausbrachte.

Das war einmal. Aber Acid Jazz ist irgendwie immer noch da, fleißig wie eh und je. Immer wieder eine Scheibe mit dem prägnanten Label-Logo, immer wieder ein Party-Flyer mit dem DJ-Namen Eddie Pillers, dem Kopf des Ladens. Nur spielt sich alles nun abseits von Lifestyle-Gazetten ab. In aller Ruhe.

Aktuelles Beispiel: Andy Lewis, als DJ schon lange mit dabei, wenn es um den guten alten Soul geht. Bis jetzt musste man allerdings auf sein eigenes Plattendebüt warten. Mit dem "Billion Pound Project" gelingt ihm und seiner illustren Gästeschar eine Hommage an seine Camdener Partyszene – und natürlich an seine musikalischen Helden. Ob Curtis Mayfield oder James Brown: die großen Klassiker lassen grüßen. It's Retrotime!

Mit einer guten Band im Rücken und einem halben Dutzend hochwertiger Vokalisten am Mikrofon zieht Lewis alle Soulfunk-Register. "(Love is) Alive in My Heart" predigt ein inbrünstiger Keni Burke, Lolletta Holloway powert sich durch "Devastated", und auf dem coolen "100 Oxford Street" kommt Dave Jay in Einsatz. Lynda Laurence lässt Lewis mit "See You There" einen super schönen Song singen, der haften bleibt. Und auch der Rest macht so was von Laune.

Das "Billion Pound Project" ist ein wahres Soulfeuerwerk. Heiß, gefühlvoll, lässig, funky und mit einer guten Portion Schalk im Nacken. Frei nach Frank Popp, der nicht von ungefähr in den Linernotes der CD mit auftaucht: Musik für Hip Teens, die keine Blue Jeans, sondern Cordanzüge tragen. Schön, dass es so was noch gibt.

Trackliste

  1. 1. The Secret Life Of A.J. Lewis
  2. 2. 100 Oxford Street
  3. 3. (Love Is) Alive In My Heart
  4. 4. Laughter Ever After
  5. 5. Since I Lost My Baby
  6. 6. Looking Up Looking In
  7. 7. See You There
  8. 8. Billion Pound Project
  9. 9. Soul Chancer
  10. 10. Till I Lost You
  11. 11. Devastated
  12. 12. Heather Lane
  13. 13. One By One
  14. 14. When It All Goes Wrong

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