laut.de-Kritik
Auf Stanislawski statt Anabol.
Review von Dominik LippeMit seinem Jam-FM-Auftritt zog Animus Mitte Januar kurzzeitig die Aufmerksamkeit von ganz Hip-Hop-Hausen auf sich. Die vier Minuten eloquenter Realtalk über Mobb Deeps "Quiet Storm" offenbarten einen reflektierten Rapper, der sich auch technisch deutlich gesteigert hat. Azad scheint das richtige Näschen bewiesen zu haben, als er das frühere Maskulin-Member mit einem Künstlervertrag bei Bozz Music bedachte. "Beastmode 3" setzt nun die mitunter etwas holprige Veröffentlichungs-Serie der reanimierten Plattform des Frankfurters fort.
Animus bestätigt den positiven Eindruck seines viralen Videos auch auf seinem siebten Soloalbum. Gorex' wuchtige, wahlweise um Streicher ("Ghettosymphonie") oder Synthies ("Megalodon") ergänzte Trap-Produktionen bilden das Fundament, auf dem der iranisch-stämmige Rapper seine versiert vorgetragenen, düsteren Zustandsbeschreibungen gesellschaftlicher Randgebiete errichtet. Um in diesen No-Go-Areas für Sprechgesangs-Artisten und Staatsgewalt zu überleben, müssen Sentimentalitäten schnellstmöglich abgelegt werden: "Liebe machte mich verwundbar, aber der Zorn half mir mein Herz zu 'nem Panzer zu formen."
Es kann nur ein'n silbernen Rücken geben", gibt Animus in "Eisen & Fleisch" die stilistische Stoßrichtung vor. Mit auffälliger Häufigkeit bedient sich der gebürtige Heidelberger bei Tiermetaphern, die gemeinhin mit Stärke und Aggressivität assoziiert werden. Seine Selbstinszenierung reicht vom Gorilla oder Löwen bis zum Wolf oder Bär und kulminiert schließlich im blutrünstigen, ausgestorbenen Makrelenhai "Megalodon". Raunend und grollend haucht er dem inneren Biest Leben ein. Animus hat diese Rolle in einer Weise verinnerlicht, dass es an Tierübungen aus dem Method Acting nach Stanislawski erinnert. Schauspieler wie Robert De Niro oder Al Pacino studieren animalische Bewegungen und Verhaltensweisen akribisch genau, um sie sich als Grundlage ihrer Figuren anzueignen. Animus' Auftritt scheint von dieser Idee mindestens inspiriert zu sein.
"Der Sheytan ist hier wie ein Dirigent. Er zwingt dich, ohne dass du's merkst, mitzuspielen." Immer wieder bemängelt Animus fremdbestimmt zu sein und erhebt den beschwerlichen Freiheitsdrang zu einem wiederkehrenden Motiv auf "Beastmode 3": "Auf dem Weg Richtung Freiheit hat der Sheytan Feuer gelegt." Doch nicht nur der Leibhaftige stellt sich mit sengender Hitze gegen den Ausbruch des Individuums aus der Fremdbestimmung, auch das kapitalistische System gewährt letztlich nur demjenigen die Freiheit, der dafür finanziell aufkommen kann: "So hasste ich die Scheine, doch wusste ab jetzt, dass die Freiheit einen Preis hat, der nur mit ihn'n schmeckt." Auch sonst bemängelt Animus einen systembedingten Wertefall: "Wir sind verschieden. Wo du herkommst, schlafen Kids vor Boutiquen nur wegen Yeezys. Wo ich herkomm', schlafen Kriegskinder vor Ruinen nur wegen ISIS."
Den bis zur vierzehnten Anspielstation weitgehend positiven Gesamteindruck reißt Animus im letzten Viertel des Albums leider ein Stück weit ein. Mit einem Song für die Mutter ("Der Stärkste Mensch") und einem für die Liebste ("Mein Leben Für Deins") orientiert er sich nicht nur an ohnehin weit verbreiteten Verhaltensmustern, sondern zeigt sich ärgerlich inkonsequent im Hinblick auf die zuvor akribisch errichtete, monumentale Figur: "Mit der Seele eines Engels, doch seh' aus wie ein Biest." Mit diesem Phänomen steht Animus im D-Rap beileibe nicht alleine da. Unklar bleibt, ob diesem eine gefühlte Verpflichtung zugrunde liegt, dem reflexionsarmen Hörer sicherheitshalber noch mal zu erklären, dass hier kein übermächtiges Monster am Werk ist.
Auch die kurz vor Feierabend die Booth betretenden Gastrapper dienen wohl vor allem als pflichtschuldiges Verkaufsargument: Eine deplatzierte Hook von Gentleman, einige gefühlige Zeilen des in aller Regel geschmackssicheren MoTrip sowie der unter einer schwerwiegenden Autotune-Abhängigkeit leidende Calo. Der abschließende "Flüchtling Auf Lebenszeit" bietet dann noch einige schauerliche Statements ("Was ist schlimmer, sag mir, ob Merkel, ob Schindler?") und auch mit der sehnlichst angestrebten Freiheit ist es nicht mehr weit her ("Unser Prophet für Satire missbraucht.").
Ganz ohne positive Impulse geht Animus allerdings auch zum Ende hin nicht vom Platz. So schildert er in schmerzlicher, erschreckend ehrlicher Art und Weise, mit sich selbst im Unreinen zu sein: "Wenn ich ehrlich bin, habe ich mit meinen Feinden viel mehr gemeinsam als mit all meinen Freunden, denn ich hasse mich genauso wie sie." Zweifellos bietet "Beastmode 3" von veritablen Texten bis livetauglichen Hooks etliche lobenswerte Ansätze. Dennoch liegt Animus dank seiner unschlüssigen Umsetzung mit seiner Einschätzung der Lage der Dinge nicht ganz richtig: "Meine ganzen Kritiker sind heute stumm."
6 Kommentare mit einer Antwort
Hab bis Song 5 durchgehalten. Mir viel zu anstrengend. Musste ständig an Fler denken und seine "Pausen". Das hätte Animus bitter nötig. So Atemlos durch die Franzaken-Beats rattern, hilft doch keinem.
nach 60 sec. war bei mir Ende....
immer wieder dieselbe langweilige Scheiße..! 1/5
Die Beats sind mir zu trappig. Schade, bei den Radio-Exclusives hatte er noch einen Azad 2.0-Vibe
Stabilstes Teil seit der Kugelschreiber Reihe.
Gute Dinger bei. Hätte auch von euch mind. 3,5 Sterne verdient. Von mir gibts 4.
animus verkauft im bodycheck-alexa pullover und caps und so. kein hate, nur info.
Stanislavski.
99% der Deutschrapper sind überflüssig, aber jeder einzelne von ihnen glaubt, er gehöre zu den 1% der Relevanten.