laut.de-Kritik
Lo-Fi in style: Anna Burchs bittersüßer 90s-Indie-Folk.
Review von Michael SchuhKaum zu glauben, dass Anna Burch zunächst unsicher war, ob sie wirklich selbständig und ohne Hilfe von Freunden Musik veröffentlichen soll. Die letzten Jahre sammelte sie in verschiedenen Formationen Bühnenerfahrung, vor allem als Bassistin und Backgroundsängerin der Folk-Rock-Band Frontier Ruckus. Was sich anhört wie ein scheinbar vorgezeichnetes Künstlerdasein in Reihe zwei endete letztes Jahr mit dem Ausstieg Burchs und gipfelt nun im großen Wurf "Quit The Curse", Anna Burchs Debüt als Solo-Künstlerin.
"Die Platte markiert das Ende einer Ära der Unsicherheit", so Burch. Schwer zu glauben, denn schon der Eröffnungstrack "2 Cool 2 Care" macht deutlich, dass diese Stimme zu schade für reine Harmonie-Begleitung gewesen wäre. Den Songtitel könnte man auch gleich auf ihren Gesangsstil beziehen: Cool, mit klarem Ausdruck, ohne aber durchdringend oder druckvoll in Erinnerung zu bleiben, stellt sich die Tochter einer Pianistin und Kirchenchorleiterin aus dem Nest St. Joseph in Michigan vor und führt uns durch den ersten einer Reihe bittersüßer Folk-Rock-Songs. Näher an Juliana Hatfield als an Liz Phair vielleicht, aber definitiv mit der richtigen Munition für sehnsuchtstrunkene 90s-Indie-Anhänger.
Die Songs leben von den tollen Harmonien, Burchs Paradedisziplin wenn man so will, die sich mustergültig am 60s-Pop-Genre orientieren, sowie ihrem Händchen für Hooks. So erblüht der potenziell nächste Single-Kandidat "Tea-Soaked Letter" in nahezu vollendeter Dream-Pop-Perfektion. "Asking 4 A Friend" bohrt sich auch dank des minimalistischen Soundgerüsts in guter alter Breeders-Manier ins Ohr. Lo-Fi in style, here we go!
So eingängig die Songs, so düster streckenweise die Texte, die gescheiterte Beziehungen und andere unschöne Abhängigkeiten behandeln. "Seeing you again could only make me / kissing you again would probably break me", singt Burch etwa im Titelsong, einem der Album-Highlights, um kurz darauf klarzustellen: "You think I'm cursed but I'm not".
Collin Dupuis, in dessen Kundenkartei bereits Lana Del Rey ("Ultraviolence") und Angel Olsen ("My Woman") stehen, achtete in Burchs Wahlheimat Chicago auf einen hellen, unverzerrten Sound-Mix, der den porentief reinen Gesangsmelodien der Protagonistin entgegen kommt. Nachdem "Belle Isle" in ruhige Country-Gewässer abbiegt, erstrahlt "In Your Dreams" in verträumtem Shoegaze-Glanz.
An "Quit The Curse" ist wundersam spektakulär, mit welch unspektakulären Mitteln diese sorgsam arrangierten Songs Atmosphäre erzeugen und wie sich die sanften Melodien mit jeder weiteren Spieldauer ins Hirn fräsen. So zurückgenommen, wie man es von einer ganz auf harmonische Teamarbeit spezialisierten Musikerin eben erwarten würde.
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