laut.de-Kritik

Gratwanderung zwischen Anarchie und Mainstream.

Review von

Dass die Antilopen Gang auch mit ihrem dritten Studio-Album seit der Neugruppierung 2013 keine allzu großen Risiken eingeht, wird schon aus dem Titel ersichtlich. Auf "Aversion" folgt "Anarchie und Alltag", darauf folgt "Abbruch Abbruch": Die Antihaltung der Düsseldorfer bleibt neben dem ersten Buchstaben des Alphabets weiterhin der rote Faden ihrer Diskographie.

Dabei merkt man ihnen aber durchaus an, dass sie nicht mehr die jungen Wilden von damals sind, die mit "Fick Die Uni" BWL-Biedermänner provozierten oder landesweit mit Auftrittsverboten abgestraft wurden. Von dieser Radikalität bleibt das neuste Unterfangen des Trios weit entfernt. Wie Danger Dan auf "Der Ruf Ist Ruiniert" so schön sagt, machen sie nämlich keine Musik mehr für linke Zecken, sondern für SPD- und Grünen-Wähler.

Ihren neuen Sound haben sie bereits mit "Aversion" gefunden und wenig später mit "Abwasser" perfektioniert. Seitdem scheinen Koljah, Panik Panzer und Danger Dan sich damit abgefunden zu haben, dass es wenig Sinn ergeben würde, an diesem Erfolgsrezept allzu radikale Veränderungen vorzunehmen. Auch wenn das durchaus ärgerlich erscheint, kann man es ihnen nach dem Nummer-eins-Erfolg von "Anarchie und Alltag" nicht verübeln. Noch hat es sich ihre charakteristische Mischung aus Pop, Punk und Hip Hop schließlich nicht abgenutzt, auch wenn sie langsam anfängt, etwas fad zu schmecken.

Mit "Abbruch Abbruch" öffnet das Trio ein weiteres Mal die Tore ihrer musikalischen Geisterbahn, in der sie Deutschraps Rollenbilder nach Belieben verdrehen, der Generation McFit vor den Kopf stoßen, provozieren, was das Zeug hält, und intime Einblicke in ihre Bandgeschichte gewähren. Dabei muss man leider konstatieren, dass das euphorische Schwindelgefühl, das man auf ihren vergangenen Langspielern hier und da verspürte, nicht so recht einsetzen mag. Stattdessen ist man nach einem Durchlauf gesättigt, denkt sich "ganz nett" und stellt die Platte ins Regal. Was schade ist. Wenn die Gang eines nicht sein will, dann ist es sicherlich "nett".

Es gibt vieles, wofür man "Abbruch Abbruch" kritisieren kann. Das Album macht aber ebenso viel in überzeugendem Maße richtig. Die Provokationen sind zu durchschaubar ("Lied Gegen Kiffer"), die Pop-Nummern zu zahnlos ("Trenn Dich") und der Punk fast schon peinlich ("Roboter"). Dafür gehören die Beats zum besten Material, mit dem die drei jemals arbeiten durften, und auch als Rapper machen die Antilopen einen weiteren Schritt in die richtige Richtung. Allen voran Panik Panzer, dessen Reimkünste auf vergangenen Projekten selbst Fans eher belächelten, hat sich insgeheim zum Star des Albums gemausert.

Natürlich muss man auch hier wieder relativieren und betonen, dass ihr Talent am Mic niemanden nachhaltig beeindrucken wird. Dafür sind viele Reime schlichtweg zu unsauber und die meisten Flows wirken ein wenig zu hölzern. Den technischen Aspekt haben die Drei aber ohnehin schon immer zugunsten des Inhalts vernachlässigt. Was auch wieder Sinn ergibt, wenn man etwas zu sagen hat. Auf "Abbruch Abbruch" ist aber auch das nicht immer der Fall.

Mit "2013" öffnet die LP emotional. Der Rückblick auf das wohl schwierigste Jahr der Bandgeschichte überzeugt vor allem mit dem sehr bildlichen Storytelling, das einem einmal mehr den holprigen Werdegang der Antilopen vor Augen ruft. Auf "Der Ruf Ist Ruiniert" versuchen sie anschließend, sich mit ihrem Erfolg auf gewohnte Anarcho-Art auseinanderzusetzen, was gerade auch aufgrund der aggressiven Hook zwar gelungen über die Bühne geht, aber trotzdem ein wenig verkrampft erscheint.

Wirklich schlimm wird es jedoch erst mit "Trenn Dich". Ein Track, der den Mainstream-Appeal, gegen den man gerade noch ankämpfte, auf erschreckende Weise attestiert. Wäre der Inhalt nicht ein wenig kontrovers, könnte man aufgrund der ernsthaften Herangehensweise glatt vermuten, dass sich Danger Dan den Stift mit Bendzko, Forster oder Giesinger teilte.

Dabei ist es letzten Endes auch wurst, ob der kitschige Ton ironisch gemeint ist oder nicht. Mit "Wünsch Dir Nix" beweist das Trio nur einen Song später, dass es absolut in der Lage ist, einen großartigen Pop-Song zu schreiben. Ihre schelmische Abrechnung mit dem Rap-Game und ihrer eigenen Fanbase birgt nicht nur die beste Hook des Albums, sondern zählt auch mit Lines wie "Wenn ich SXTN wär, hätt' ich mich auch aufgelöst" zu den angriffslustigen Stärken des Dreiers.

Den absolute Höhepunkt markiert jedoch wenig später "Bang Bang". Ein Lied, das dem männlichen Selbstverständnis im Hip Hop gehörig in den Arsch tritt und stattdessen Licht auf ein oft ignoriertes Thema wirft: sexueller Druck unter Jugendlichen. Das mag jetzt aus musikalischer Perspektive nicht allzu interessant klingen, ist aber gerade aufgrund des zeitgemäßen Refrains, der das Ganze wiederum konterkariert, einer der interessantesten und notwendigsten Songs des noch jungen Jahres.

Konzeptuell ähnlich geht "Kluk" vor, fährt den Karren aber gehörig an die Wand. Während die Verses mit ihrem Gelaber über die eigene Inkompetenz noch ganz unterhaltsam sind, fängt der Autotune-Chorus binnen weniger Durchläufe an, furchtbar zu nerven. Wie viele Tracks auf "Abbruch Abbruch" liefert auch "Kluk" ein Beispiel für eine interessante Idee mit mangelhafter Umsetzung. Allzu oft schlägt die Gratwanderung zwischen Ironie und Seriösität nicht stark genug in eine der beiden Richtungen aus und landet in der Folge irgendwo im mittelmäßigen Dazwischen.

Genau das passiert auch bei den politischen Songs der Platte. Wo "Wein Zu Wasser" und "Zentrum Des Bösen" viele richtige Töne treffen, verliert sich der Inhalt von "Roboter" in seiner platten, klischeehaften Punk-Attitüde.

Long Story short: Die Antilopen machen weiterhin ihr Ding. Sprich: Musik für Studenten, die eigentlich gar keinen Hip Hop hören, weil da zu viele Mütter gefickt werden, deren Verständnis von Punk jedoch bei den Kassierern aufhört. Das ist aber nicht einmal zwingend negativ gemeint, inhaltlich bleibt die Truppe weiterhin ein absolutes Unikum in der deutschen Musiklandschaft, dessen Existenz alleine schon die Entrüstung rechtfertigt, die ihre Musik immer noch auslöst.

Es ist nur schade, dass die Gang musikalisch keine neuen Wege mehr geht und sich stattdessen eher brav dem Mainstream anbiedert. Aber wer weiß?Vielleicht ruft sich ihr nächstes Album ja "Alerta Alerta" und ermutigt dann auch wider die Zecken von damals zum Steineschmeißen.

Trackliste

  1. 1. 2013
  2. 2. Der Ruft Ist Ruiniert
  3. 3. Trenn Dich
  4. 4. Wünsch Dir Nix
  5. 5. Wein Zu Wasser
  6. 6. Lied Gegen Kiffer
  7. 7. Bang Bang
  8. 8. Wie Wir Leben
  9. 9. Smauldo
  10. 10. Roboter
  11. 11. Keine Party
  12. 12. Zentrum des Bösen
  13. 13. Kluk
  14. 14. Abraxas

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11 Kommentare mit 12 Antworten

  • Vor 4 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 4 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 4 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 4 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 4 Jahren

    Es ist schwer, wenn gleich das zweite Album ein Knaller wird. Mit der Melange aus Pop, Punk und HipHip ist ein sagenhaft erfrischendes Experiment geglückt das dann live nochmal so richtig den Turbo gezündet hat.

    Da droht ein neues Werk dann im Schatten des Vorgängers zu verblassen. Genau so ist es hier.
    Musikalisch ist es deutlich weniger überraschend als der Vorgänger. Aber das alleine ist überhaupt nicht schlimm. Enttäuschend sind allerdings die Inhalte. Oft holprig gereimt reihen sich viel zu viele Selbstreferenzen an fast schon anbiedernd wirkende Anspielungen auf ihre Label-Chefs, die Toten Hosen.

    Das Album wirkt leider eher wie eine notwendige Auftragsarbeit. So, als hätte man damit lieber noch warten sollen.