laut.de-Kritik

Dokumentation einer sehenswerten Performance.

Review von

Aus musikalischer Sicht hat sich Antony Hegarty rar gemacht. Vier Jahre sind seit seinem letzten Studioalbum "Swanlights" (2010) vergangen, "Cut The World" (2012) war so etwas wie ein Karriere-Rückblick mit Orchesterbegleitung. Auch 2014 wird ohne neues Material enden, geht die vorliegende Veröffentlichung sogar noch weiter zurück, nämlich ins Jahr 2006.

Damals hatte Hegarty mit seinem zweiten Album "I Am A Bird Now" endlich den Durchbruch geschafft und die wichtigste britische Auszeichnung eingeheimst, den Mercury Prize. Mit dem Filmemacher Charles Atlas ging er mit einer Bühnenshow auf Europa-Tour, die sie bereits 2004 bei der Whitney Biennal in New York vorgestellt hatten. Das scheinbar einfache Konzept: Während Hegarty und seine Begleitband The Johnsons ihre Stücke spielten, drehte sich eine von 13 Frauen auf einer Scheibe am Rande der Bühne.

Scheinbar einfach, denn ging es den Machern darum, die Zuschauer mit dem Thema Gender und Wahrnehmung des Geschlechts zu konfrontieren. So handelt es sich um Frauen unterschiedlichen Alters, manche heterosexuell, andere lesbisch, auch sind Transvestiten und Transgender beteiligt. Manche präsentieren sich ungeschminkt, gar oben ohne, andere grell kostümiert.

Die Frauen werden nicht zu Objekten herabgestuft, im Gegenteil – sie sollen dazu anregen, die Vielfalt der menschlichen Entfaltungsmöglichkeiten, Interessen, Neigungen zu erfassen, ohne sie bewerten zu müssen. Dazu dient auch eine große Leinwand hinter der Bühne, auf der bearbeitete Bilder der Frauen abgespielt werden.

Der Film "Turning" ist schon seit einigen Jahren im Umlauf und nun auch auf DVD erhältlich. Zwischen den Konzertausschnitten sorgen Kurzinterviews mit den Frauen, der Band und Tourszenen für Abwechslung. Die Reviews aus den USA scheinen teilweise zu euphorisch, handelt es sich doch eher um tränenreiche Kurzporträts der 13 Frauen als um eine reine Dokumentation der Performance. Dennoch bietet der Film durchaus interessante Momente.

Neu dagegen ist der Soundtrack dazu, also der Mitschnitt eines der Konzerte im Londoner Barbican. Neben der gewohnten Intensität von Antonys Performance ist auch die Tracklist an sich interessant, denn sie besteht aus Stücken all seiner vier Studioalben und EPs, also auch von denjeinigen, die erst später erschienen sind. Mit "Whose Are These" und "Tears Tears Tears" enthält es auch zwei bislang unveröffentlichte Lieder.

Wirklich Neues bietet das schlicht, aber schön verpackte "Turning" nicht, doch die Intensität, mit der Hegarty über sein inneres Leben, seine Zweifel, seine Hoffnungen singt, geht nach wie vor unter die Haut. "Meine Kreativität war schon immer ein Weg, um mich mit Dingen auseinanderzusetzen, die ich nicht verstehe. Darum geht es in der Musik, beim Tanzen, im Umgang mit Farben" erklärte er 2012 in einem Interview. Diese Performance ist ein beeindruckender Beweis dieser Einstellung. Nicht sind es immer Antworten, die benötigt werden. Manchmal sind es die richtigen Fragen.

Trackliste

CD

  1. 1. Everything Is New
  2. 2. My Lord, My Love
  3. 3. Cripple And The Starfish
  4. 4. For Today I Am A Boy
  5. 5. Where Is My Power?
  6. 6. Spiralling
  7. 7. Find The Rhythm Of Your Love
  8. 8. I Fell In Love With A Dead Boy
  9. 9. Bird Gerhl
  10. 10. Kiss My Name
  11. 11. Daylight And The Sun
  12. 12. One Dove
  13. 13. Hope There's Someone
  14. 14. Twilight
  15. 15. You Are My Sister
  16. 16. Whose Are These
  17. 17. Tears Tears Tears

DVD

  1. 1. Turning - A Film By Charles Atlas

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