laut.de-Kritik
Bemerkenswertes Album über eine zurückgebliebene Person.
Review von Giuliano BenassiAls Anfang 2010 das erste Album der israelischen Combo in Deutschland erschien, hatte sie im Heimatland bereits das vorliegende Werk am Start. Mit ihrer Mischung aus einer einprägsamen Stimme und Poprock zwischen hart und leise stießen sie auch hier auf Interesse. So richtig sprang der Funke zwar nicht über, aber das könnte sich noch ändern.
War das Debüt nämlich noch eine recht lose Zusammenstellung an Stimmungen und Texten, wagen sich Avidan und seine Mitstreiter schon mit der zweiten Platte an ein Konzeptalbum. Es handle sich um "die Darstellung einer emotional zurückgebliebenen Person durch verschiedene Charaktere, die sie symbolisieren ", erklärt der schmächtige Mann mit dem Irokesenschnitt, der auch diesmal alle Texte selbst geschrieben hat.
Das wichtigste Erkennungsmerkmal bleibt seine Stimme, die nach wie vor an Janis Joplin erinnert, jedoch an Eigenständigkeit gewonnen hat. Was am persönlichen Bezug zum Thema liegen mag. "Die Frau, der Berg, Ich, die Geliebte – das sind alles unterschiedliche Facetten meiner Persönlichkeit."
Auch die Band hat sich musikalisch weiter entwickelt, vor allem bezüglich der Arrangements. Die leisen Töne, die weite Teile des Albums bestimmen, bringt sie gut rüber. Mit "Brickmann" und dem Titeltrack beginnt die Platte gefühlvoll. Im Opener steigern sich Akustikgitarren, eine Ziehharmonika und eine Geige zu einer klatschenden Jahrmarktstimmung mit Gelächter und Bläsern. "Poor Boy / Lucky Man" fällt dagegen ruhiger aus.
Nachdem in "Got It Right" Erinnerung an den Folk-Rock der frühen Led Zeppelin wach werden (nicht umsonst gibt es oft Vergleiche zwischen Avidan und Robert Plant), überzeugt "My Favourite Clown" mit Geige und einer weiblichen Begleitstimme. Das Sammelsurium an Zusatzinstrumenten, die in den Stücken zum Einsatz kommen, ist beeindruckend, von Klavier über Xylophon und Mundharmonika bis hin zum Didgeridoo.
Ab der Hälfte des Album brechen immer wieder Klang-Gewitter aus, zum ersten Mal in "The Ghost Of A Thousand Little Lies", das als ruhiger Stehblues beginnt und in eine Orgie aus Klavier, Schlagzeug und E-Gitarren mündet. "Wasting My Time", "Jet Plane" und "Little Stallion" klingen nach 70er-Jahre-Hard Rock. Was an sich nicht schlecht ist, zu diesem Album aber nicht so richtig passen will.
Gut also, dass es ab "Your Anchor" wieder ruhiger wird, insbesondere in "Out In The Cold", das an ein Klagelied erinnert, und dem zweiteiligen Abschluss. In Israel aufgenommen, fand die Abmischung in den Londoner Abbey Road Studios statt. Der Sound ist überdurchschnittlich gut und bringt die Facetten von Avidans Stimme zur Geltung.
"Poor Boy / Lucky Man" ist in einer gewissen Hinsicht zeitlos – vom Stil her hätte es auch Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre erscheinen können. Ein bemerkenswertes zweites Album.
1 Kommentar
Ah den seh ich live in Köln am 3,5, , der ist Live sowieso besser , da wirken die Songs auch intensiver.