laut.de-Kritik
Wer braucht schon sauberen Sound, zeitgemäße Optik und Songs vom neuen Album?
Review von Alexander WentlandAnimes, schrille Teenage-Popkultur und sympathische Rieseneidechsen – so kennen und lieben wir die kleinen, quirligen Fototerroristen aus dem Land der aufgehenden Sonne. Genug in der Vorurteilskiste gewühlt? Noch lange nicht! Aber immerhin kann sich die westliche Zivilisation in Sachen Klischees gebührend bei den schwertschwingenden Wirtschaftsbremsen revanchieren, denn der gute alte Rock'n'Roll gehört in Japan immer noch zum wertvollen Importgut.
In diesem Sinne stehen die Teenage-Rock-Heroen Ash wohl für kulturellen Austausch. Dass die Briten im Land des Lächelns schon immer heiß begehrt waren, ist nichts Neues. Jetzt aber haben wir die Chance, uns mit Hilfe des authentischen Livedokuments "Tokyo Blitz" selbst ein Bild von den Zuständen bei japanischen Moshpits zu verschaffen. Dabei hat der hier angebotene Mitschnitt aufgrund seines Entstehungsjahres (2001) sogar noch historischen Wert.
Die DVD-Optik brilliert dann auch gleich themenbewusst mit angenehm epilepsiefördernder Farbwahl und kryptisch anmutenden Menüs. Der Spaß hört allerdings nach den ersten Minuten des Mitschnitts auf: Der Sound klingt dumpf und ist bestenfalls mittelmäßig abgemischt –glasklarer Raumklang wirkt dagegen wie ein Mythos. Die Auswahl zwischen Ambient (mehr Umgebungsklänge), Stereo und Surround kommt da eher der Frage "grottig, mies oder halbwegs annehmbar?" gleich. Die eigentliche Enttäuschung ist allerdings die Bildqualität. Durchgehend scharfes Bild? Brillante Farben? Nun ja, wer seinen Maßstab beim 1973er "Godzilla gegen Megalon" ansetzt, wird den Unterschied vielleicht nicht bemerken. Ein Glück, dass europäische TV-Geräte eine so geringe Auflösung haben.
Aber genug gemeckert! Konzentrieren wir uns lieber auf das Geschehen vor der Kamera: Breitbeinig rockt sich Front-Frauenschwarm Tim Wheeler einen mitreißenden Single-Hit nach dem anderen aus der Hose. In all den Jahren hat sich mit Songs wie "Burn Baby Burn" und "Shining Light" schon einiges angesammelt. Material vom neuen Album "Meltdown" fehlt naturgemäß völlig (Fingerzeig auf Alter). Also haben wir knapp über eine Stunde routiniertes Arschabrocken ohne nennenswerte Ereignisse oder spektakuläre Zwischenfälle. Schade, denn sonderlich überragend sind Ash live ohnehin nicht. Ein kleines Gitarrenduell hier, eine paar nette Worte an das hysterisch kreischende Pokémon-Volk da und im Hintergrund eine eher dürftige Bühnen bzw. Lichtshow. Immerhin solide.
Auch das Bonusmaterial reißt einem nicht gerade die Stäbchen aus der Hand: Ash zu Besuch bei einem japanischen Radiosender. Ash-Gitarristin geht in hippem Teenieläden shoppen. Ash schmökern in Manga-Pornos. Ash auf Sauftour durch die finsteren Seitenstraßen Tokios. Bei letzterer Episode stellen Drummer und Gitarrentechniker nicht mehr ganz im Vollbesitz ihrer geistigen Fähigkeiten ihr Sprachvermögen unter Beweis. Amüsant wie berechenbar.
Eine weitere nette Dreingabe sind die Interviews mit allen Bandmitgliedern – sofern der Zuschauer der englischen Sprache mächtig ist. Untertitel gibt es keine. Zu guter letzt zeichnen noch zwei pubertierende japanische Ash-Anhängerinnen (Schlussfolgerung aus der lückenlosen Bildertapete in ihren Zimmern) mit wackeliger Handycam den Weg zum Konzert auf und bestätigen flächendeckend so ziemlich alle gängigen Fan-Stereotype.
Alles in Allem ist dieser farbenfrohe Silberling kein kompletter Reinfall, allerdings auch meilenweit vom Niveau anderer Live-DVDs entfernt. Am meisten stellt sich die Frage, warum die Plattenfirma nicht einfach ein aktuelles Konzert mit erhöhtem technischem Aufwand aufgezeichnet hat. Sei's drum! Wer braucht bei diesem saftigen Preis schon sauberen Sound, eine zeitgemäße Optik und Songs vom neuen Album?
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