laut.de-Kritik
Tschüss, Punk. Ahoi, Metal!
Review von Andreas DittmannNur wenige Wochen bevor "Currents" erschien, verabschiedete sich Sänger Rodrigo Alfaro in Richtung wiedervereinigte Ex-Band Satanic Surfers. Was für ein doofer Zeitpunkt. Aber vermutlich hatte Alfaro einfach wieder mehr Bock auf Punk, als auf die heftige Metalifizierung des aktuellen Atlas-Albums. Die verbliebenen Schweden jedenfalls machen trotz alledem weiter, ab jetzt mit Niklas Olsson an Bord.
Apropros Bord: Die maritime Thematik des Artworks zieht sich durchs ganze Album. Die Songs heißen "Sinking Ships", "Unkown Waters" oder "Cast Anchor". Die gesellschaftskritischen Texte des letzten Albums weichen persönlichen Statements Alfaros voller Seefahrermetaphern: "You are my true north / my guiding star" oder auch "So I set sail like so many others / Across horizons, unto unkown water" oder "To go down as the captain of the ship / While the band plays on and on and on."
Atlas Losing Grip hatten schon immer ein Faible für Metal-Riffs. Auf "Currents" ist das kein Faible mehr, hier regieren König Metal und sein buckliger Bruder Alternative-Rock. An Bad Religion erinnert höchstens noch Alfaros Stimme (und die ist ja jetzt auch wieder weg).
Das alles wirkt beim Opener "Sinking Ships" noch augenzwinkernd, weil es so überzogen nach Metallica klingt, dass es eigentlich nur ein Gag sein kann. Aber tatsächlich: Der Punkrock kommt so gut wie gar nicht mehr wieder. "Currents" zeigt sich viel experimentierfreudiger als der Vorgänger.
Schlagzeug- und Riff-Geballer jagt "Cynosure", "Shallow" oder "Nemesis" über die Planke, bei "Through The Distance" plätschert Elektronik durch die Boxen, und bei "Kings & Fools" hört man Trompeten. Atlas Losing Grip legen bei alledem eine enorm große Spielfreude und souveräne Leichtigkeit an den Tag.
Mitten rein spielen sie dann "Closure", einen sanften Song mit gezupften Akustikgitarren. Bisschen kitschig, weil mit Streichern, aber die beiden Gitarren arbeiten so gut miteinander, dass es eine wahre Freude ist. "Cold Dirt" geht in eine ähnlich ruhige Richtung, nur dass hier ein fetter Flügel die Akustikgitarren ersetzt und zusammen mit den Streichern eine extrem dichte Atmosphäre schafft.
Das elfminütige Monumentalwerk "Ithaka" bildet dann den krönenden Abschluss der Platte. Ein Song, der noch einmal alles auffährt, das die Band im Laufe der Spielzeit gezeigt hat, und der gleichzeitig das Abschiedslied von Alfaro darstellt: "Please forgive me as I falter on my way back home / To Ithaka."
"Currents" ist ein erstaunlich vielseitiges Album geworden, ein würdiger Cut in der Bandhistorie. Atlas Losing Grip haben sich wahnsinnig weiterentwickelt. Seltsam bleibt allerdings der Sound. Die Becken platschen dermaßen kraftlos ins Wasser, als ob für den richtigen Mix keine Zeit mehr gewesen wäre: "Shit! Alfaro will abhauen, schnell alles von Bord!" - "Aber die Becken!" - "Scheiß auf die Becken! Hauptsache mein Solo klingt fett!" Oder so. Und damit ist jetzt aber auch Schluss mit den ewigen Seefahreranspielungen.
1 Kommentar
Auch wenn ich Bands, die den guten alten Skatepunk um 'ne metallische Komponente erweitern (A Wilhelm Scream, die neueren Propagandhi und Strung Out) für gewöhnlich hart feier, komm ich hier irgendwie gar nicht auf die Stimme vom Sänger klar. Schade eigentlich, denn instrumental ist's hammer