laut.de-Kritik
Ayo entdeckt die E-Gitarre.
Review von Mara WeckerZum Klavier eine sanfte Stimme, dann setzt ein Reggae-Beat ein. Das ist Ayo., wie man sie kennt und schätzt. Aber dann: Eine E-Gitarre? Immer wieder unterbricht der verzerrte Klang in "How Many People?" den ruhigen Gesang und steigert sich schließlich zu einem pompösen Intrumental-Part. Etwas hat sich in den letzten drei Jahren getan, das steht schon mal fest.
"Billie-Eve ist der Name, den ich meiner Tochter gegeben habe. Ausgesprochen klingt er wie 'believe', also Glaube", erklärt Ayo. den Namen ihres dritten Albums. "Aber Billie bezieht sich auch auf Billie Holiday. Ich liebe sie." Wenn auch ihre Liebe weiterhin dem klassichen Soul gilt, schüttelt die Kölnerin ihr Image der geerdeten Sängerin mit Akustikgitarre nun endgültig ab.
Mit treibenden Drums sowie einer ordentlichen Portion Gitarre und Bass zeigt sich "I'm Gonna Dance" sogar noch eine Ecke rockiger. Die sonst so sachte Stimme schlägt ungewohnt knackige Töne an: "I wanna live, I wanna give, I wanna have sex/ I wanna feel good". Ayo. zelebriert nicht nur das Leben, sondern auch die Weiblichkeit in einer stilistischen Melange, die ein kleines Bisschen an Janelle Monáe erinnert.
Abgesehen von wenigen Ausnahmen gibt sich Ayo. nachdenklich, selbst wenn die Songs nicht immer danach klingen. Das Ende einer Beziehung wird so mit einer verspielten Klaviermelodie und einem poppigen Refrain inszeniert ("I Can't"). Wie leises Vogelgezwitscher hört es sich an, wenn die Finger der Musikerin über die Saiten streifen.
Während sie in "Black Spoon" ernsthafte Zeilen über Heroinkonsum vorträgt, greift Ayo. auf die Erfahrungen ihrer Kindheit zurück. "Immer wenn ich als Kind eine Löffel aus der Schublade nehmen wollte, waren die meisten unten schwarz." Die Mutter der Sängerin verließ die Familie früh aufgrund ihrer Drogensucht.
Weniger Akustik-Soul denn zeitgenössischer R'n'B gepaart mit Reggae schlägt einem in "It's Too Late" entgegen, angereichert durch emotionale Strophen und mantra-artigen Backgroundgesang. In "Before (After)" vertont eine klagende E-Gitarre seelischen Schmerz : "Es gab viele schwere Momente in den letzten drei Jahren. Ich hatte Depressionen und musste viele Veränderungen hinnehmen. Aber dann bin ich schwanger geworden."
Das war Billie-Eve. Mit "Real Love" widmet Ayo. ihrer Tochter deshalb auch noch ein verträumtes Schlaflied. Dafür holte sie eigens noch einmal die Musiker ins Studio, die am ersten Album gearbeitet hatten. Neben der Liebe zu ihrem Baby beschwört Ayo. mit "My Man" die romantischen Gefühle für ihren Mann in Anlehnung an den Funk eines Prince.
Wo Prince ist, darf auch Jacko nicht fehlen: "I Want You Back" covert die Sängerin als Hommage an den verstorbenen King Of Pop. Dabei hält sie sich aber derart an das Arrangements der Jackson 5, dass sie selbst kaum mehr zu identifizieren ist. Spannender wäre wohl eine Adaption im eigenen Stil gewesen. Zum Glück versöhnt "I Know A Place" zu guter Letzt mit leise waberndem Synthiesound und hinterlässt ein Gefühl wie Songs der frühen Alicia Keys.
An Vielfalt mangelt es "Billie-Eve" nicht. Keine Kehrwende vollzieht Ayo. hier, aber die Entwicklung klingt deutlich durch. Das könnte das Album auch für Hörer interessant machen, denen die Dame bisher immer etwas zu entspannt war.
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