laut.de-Kritik
Geht wie eine Tätowiernadel tief unter die Haut.
Review von Dani FrommEntgegen dem erfreulich weit verbreiteten Irrglauben handelt es sich bei Musikkritikern keineswegs um göttliche Wesen. Wir glauben zwar sämtlich (genau wie übrigens ein nicht unerheblicher Prozentsatz unserer Leserschaft), den Sachverstand mit Löffeln gefressen zu haben. Letztlich kochen wir alle zusammen aber auch nur mit Wasser. Wer behauptet, er trete einer so subjektiven Angelegenheit wie Musik völlig objektiv gegenüber, lügt. Wir können alle nicht aus unserer Haut und müssen mit unseren Vorurteilen und Aversionen zurecht kommen.
Wozu diese pädagogische Vorrede? Nun, ich verspürte ehrlich keinerlei Lust auf ein Album aus der Feder Bass Sultan Hengzts. Eigentlich hat mir "Rap Braucht Kein Abitur" damals vollkommen gereicht. Bitte nicht noch ein weiterer dieser austauschbaren Dumpfbacken-Proll-Rapper, wie sie in der Hauptstadt scharenweise aus dem Boden schießen. Das hatten wir doch alles schon viel zu häufig.
Bass Sultan Hengzt jedoch verpasst mir für diesen Scheuklappenblick mit seinem "Schmetterlingseffekt" völlig zu Recht links und rechts eine saftige Ohrfeige. Aua. Manchmal sollte man vielleicht doch erst einmal zuhören, bevor man in Gedanken die Haftnotiz "Bäh!" auf eine Platte klebt. Ich senke mein Haupt in Demut: Dieses Album kann wesentlich mehr, als ich je für möglich gehalten hätte.
"Ich wusste es doch: Frauen stehen auf peinliches Liebes-Gesäusel", kommentierte man diese Erkenntnis im Forum meines Vertrauens - und begibt sich damit auf den Holzweg. Mitnichten überzeugen mich vorwiegend von m3 und Noyd überreichlich in Szene gesetzte dramatische Streicher und der verschwenderische Einsatz melancholischen Pianogeklimpers. Das alles verfehlt seine Wirkung zwar nicht, verdient aber in Verbindung mit dem dreitausendsten Donnergrollen im Hintergrund nun wirklich nicht mehr das Prädikat "innovativ".
Nein, es sind eben genau nicht die wimmernden Love-Songs wie "Morgen Wird Ein Besserer Tag" oder die in "Sie Wissen Nicht, Was Sie Tun" zerknirscht vorgetragene Entschuldigung an die werte Frau Mama, die besonders berühren. Die winzigen Ursachen, die - passend zum Titel - enorme Auswirkungen haben, ziehen sich durch das gesamte Album. Wohin man schaut, verbergen sich kleine Großartigkeiten, die sich widerhakenbewehrt ins Gedächtnis krallen und dort ihre Spuren hinterlassen.
Die dickste Trumpfkarte, die Bass Sultan Hengzt auf "Der Schmetterlingseffekt" ausspielt - seine Glaubwürdigkeit. Ich stelle fest: Ich kaufe diesem Kerl Selbstabfeierei und Representer-Tracks wie "Blockbuster" oder "H.E.N.GZT" ebenso bedenkenlos ab wie die gedämpfteren, weniger großspurigen Töne. Bandbreite sticht ebenfalls: Der Flow bleibt zwar immer recht ähnlich, die Themen erstrecken sich dafür von der erinnerungsbefrachteten "Klassenfahrt" über knallharte bis bittersüße Abrechnungen mit ehemaligen Weggefährten ("Verlorene Jungs") oder der Ex-Freundin ("Vergiss Mein Nicht") bis hin zu erstaunlich zarten Bekenntnissen.
"Tattoo" mit seiner nahezu unveränderten Verwurstung von Alan Parsons "The Turn Of A Friendly Card" geht zusammen mit dem Surren der Tätowiernadel tief unter die Haut. Gemeinsam mit Sido werden profane wie tiefgehende Bitten auf der Suche nach "Seelenfrieden" formuliert. Sollte ich der Wunschfee begegnen, ich schick' sie vorbei. Versprochen. Denn für die Qual, die mir die unvermeidliche Heulboje Xavier Naidoo in "Ich Gehör Nicht Dir" bescherte, wurde ich durch den unglaublich gerissenen Dreh in der Handlung bereits vielfach entschädigt.
"Ich bin ein angenehmer, ruhiger Typ, der ab und zu spinnt." Diesen Eindruck vermittelt Bass Sultan Hengzt ganz exzellent. Hier blickt einer mit Recht stolz auf den eigenen Werdegang, bewahrt sich dabei eine erfrischende "Scheiß Was Drauf"-Attitüde, und wenn es zum Ende heißt: "Es war eine Ehre, für Sie aufzutreten / Es hat mir Spaß gemacht", hoffe ich doch schwer, es möge nicht tatsächlich "Das Letzte Mal" gewesen sein.
"Zeiten ändern sich / Zeiten ändern mich", ein Eingeständnis, das ich mir von manch anderem sich verzweifelt an seiner harten Fassade festkrallenden Zeitgenossen wünsche. Würden mehr von diesen Jungs verstehen, dass weit dickere Eier dazu gehören, sich hinzustellen, sich die Blöße zu geben und einen ehrlich empfundenen, mit Herzblut geschriebenen Text 'rauszulassen als ... hmm ... ich sag' mal ... in einer Online-Redaktion anzurufen und die Mitarbeiter dort mit dümmlichen Drohungen zu überziehen: Rap-Deutschland wäre ein besserer Platz.
99 Kommentare
Künstler: Bass Sultan Hengzt
erste Assoziation: holprige Raps mit niveaulosen Texten
erste Reaktion: ignorieren
Durch diese Verhaltensweise habe ich es bis vor wenigen Wochen geschafft, eine der überraschendsten Wandlungen des bisherigen Deutschrap-Jahres zu verschlafen. Mehrere Interviews ließen mich interessiert aufhorchen, nach dem Genuss der Videos zu "Ketten raus Kragen hoch 2007" und "Schmetterlingseffekt" verfestigte sich meine Kaufentscheidung, was für die unbedingte Qualität dieser beiden Tracks spricht.
Auch die weiteren Tracks des 28 Tracks starken Albums (inklusive Skits und Premium Tracks) gehen größtenteils klar, was nicht zuletzt an der musikalischen Untermalung der begnadeten Produzenten m3 und Noyd liegen dürfte, die einen Banger nach dem Anderen raushauen. Außer m3 und Noyd durften lediglich Phrequincy (auf "Seelenfrieden"), ProDues (auf "Klassenfahrt", "Nix zu verlieren", "Einzelkampf Orgis Advocate" und "Das letzte Mal") und Syruz (auf "Schritt für Schritt") die Regler bedienen. Eine gute Entscheidung, da dies dem Album eine wohltuende Kohärenz verleiht und das Niveau oben hält.
Den wenigen Ausfällen (z.B. "Scheiss was drauf") steht eine große Zahl von gelungenen Tracks gegenüber, wobei Hengzt vor allem auf persönlicheren und nachdenklicheren Tracks wie "Tattoo" oder "Morgen wird ein besserer Tag" an der Seite von Automatikk glänzt. Neben Automatikk sind auch sido, Xavier Naidoo, Orgi, Godsilla und Josof auf der Feature-Liste vertreten. Dabei hätte ich auf Orgi und Godsilla durchaus verzichten können, während sido und Xavier Naidoo auf den jeweiligen Tracks ("Seelenfrieden" bzw. "Ich gehör nicht dir") überzeugen und auch Josof nicht weiter negativ auffällt.
Der abschließende Track "Das letzte Mal" besticht durch hohe Qualität und stellt gleichzeitig den Rücktritt von Hengzt aus der Deutschrap-Szene dar. Schade eigentlich, da ich gerade anfing, ihn zu mögen.
So ist Bass Sultan Hengzt schließlich zu einem jener Rapper geworden, die er zu Beginn seiner Karriere grundlos gedisst hatte. Texte mit Substanz, technisch in Ordnung und mit einem Hauch von Massenkompatibilität.
Wertung: 80%
Quelle (http://herrmerkt.blogspot.com)
grad mal n bisschen überflogen (das album). was ich so gehört habe hat sich echt nicht schlecht angehört. v.a. die tracks mit sido, automatikk, und xavier.
aber noch mal genauer hören...
Er hat sich in den Jahren schon gesteigert, wenn man das Ganze betrachtet.
Seit "Berliner Schnauze" benutzt er sogar immer häufiger Reime, was ja sonst bei ihm nicht so der Fall ist...
@Rower (« @Stail (« mir gefällt das album ganz gut aber trotzdem kann man nich leugnen das das nich mher der alte Hengzt ist. »):
nich dein ernst, oder »):
ja ist mein Ernst
@Stail (« @Rower (« @Stail (« mir gefällt das album ganz gut aber trotzdem kann man nich leugnen das das nich mher der alte Hengzt ist. »):
nich dein ernst, oder »):
ja ist mein Ernst »):
gut danke für diene antwort, das hat mich nun sehr zufriedengestellt.
ich finds auch ok, ist kein schlechtes album...
das er kein gangsta ist, merkt man ja schon, weil irie ihn hurensohn nennt und er das so wortlos hinnimmt, auf jeden fall hab ich da keine passende reaktion gesehen...
aber das album ist ähem musikalisch gesehen n schönes stück...
doppel-h-gang snippet:
http://www.file-upload.net/download-472172…