laut.de-Kritik
Fette Bushido-Beats, peinliche Reime.
Review von Philipp GässleinDas nenne ich eine Kulturrevolution! Auf den Tag genau 200 Jahre nach dem Tod Friedrich Schillers reimt Bass Sultan Hengzt schon im Intro "Therapie" auf "therapieren" und "Gas" auf "Autobahn". Rap braucht kein Abitur, sicher - aber wie steht's mit Reimen?
"Hier komme zweimal Härte-Doppelpack, du bist nur zum ficken da. | Jeder unserer Fans weiß, wir sind auch noch morgen Stars." Nö, auch bei Track zwei weit und breit kein brauchbarer Reim in Sicht. Dafür gibt's einen schönen Flow, einen erstaunlicherweise recht guten Part von King Orgasmus und einen Bombenbeat von Bushido-Hausproduzent Ilan. Der kann einem übrigens richtig leid tun. Wann immer er sich richtig ins Zeug legt, scheitert Bass Sultan Hengzt auf der lyrischen Ebene kläglich.
"Ich rappe Tag für Tag den selben Müll, weil deine Stadt so etwas mag." Zumindest in puncto Menschenkenntnis macht dem Jungen niemand was vor. Die Hookline dieses gescheiterten Storytelling-Versuchs lautet übrigens: "Rapstudent - Dein Rap ist uninteressant, | du rappst über Probleme, über Probleme in ganz Deutschland. | Ihr Ökos fickt nur eine Frau. | Standardrap den keiner braucht. | Macht das, was euch am meisten liegt: | Rappt über die Politik." Als ich etwas jünger und Rap noch nicht "weich" war, wie es auf der Scheibe proklamiert wird, hieß es in Bezug auf Ökos noch: "Wer zweimal mit der selben pennt, gehört schon zum Establishment", aber in Berlin ticken die Uhren ja bekanntlich etwas anders.
"Ich fress dich auf | und scheiß dich aus | Bass Sultan Hengzt ist im Haus." Zugegeben: Beim Beginn von "Du Bist Freund Ich bin Feind" muss ich lachen. Der Punkt geht an ihn. Da der Beat nebenher noch spielend sämtliche Zimmerwände erschüttert, wird der Text einfach mental ausgeblendet. "Ich bin zu hart, die deutsche Szene will mich weich, | denn ich rapp halt wie ein Deutscher aus dem harten dritten Reich" - hat er gerade eben wirklich "Drittes Reich" gesagt? Dumm gelaufen, da ist er eine Woche zu spät dran. Die ganze kostenlose Promo konnte schon Aggro-Neustar Fler einheimsen. Für einen eigenen Spiegelartikel muss er sich da schon noch ausgefallenere Provokationen einfallen lassen. Sex mit Toten hatten wir noch nicht.
Was sich hinter dem Track "Riesengeil" verbirgt, lässt sich ziemlich leicht erahnen. Dass es dabei um Sex mit dicken Frauen geht, tut der schwülstigen Atmosphäre des Liedes keinen Abbruch. Man muss wohl diese Art von Musik mögen, um den R'n'B-Part hinreichend zu würdigen - Ich kann das leider nicht von mir behaupten. Was sich der Ersgutejunge bei "Du Tanzt Storys" gedacht hat, ist auch unter dem Gesichtspunkt der Clubtauglichkeit nicht nachvollziehbar. Bereits nach 15 Sekunden beginnt das Lied unvorstellbar zu nerven, was immerhin rekordverdächtig ist. Wie kann man bitte ernsthaft "J-Lo" auf "Disco" reimen?
Ich muss zugeben, ich bin nicht vollkommen über Berliner Hip Hop-Slangs im Bilde, aber steht "Homie" nicht üblicherweise für Freund? Und ist es nicht eine eher absurde Taktik für einen Untergrundrapper, seine "Homies" als Opfer der eigenen Ausbeutung zu beschimpfen? Fachkundige E-Mails bitte an den Verfasser. Homie Bushido darf übrigens im nächsten Track "Großstadtdschungel" auch mal ans Mic und sorgt für den ersten akzeptablen Part seit langem. Auch bei "Eigene Regeln" passen Flow und Beat dann wieder recht gut zusammen. Dafür befindet sich der folgende Skit irgendwo tief unten zwischen dämlich und absolut unlustig.
"Cazino" zischt haarscharf am Versuch eines Rapsongs mit Aussage vorbei und verglüht dann irgendwo im Kosmos der schlechten Reime. Ausnahme: "Ihr verpeilt eure Zeit an der Bong | ich habe die Zeit und schmeiß mit Jetons." - er hat es schon wieder geschafft: Ich muss lachen. Auch "Ich Liebe Dich" hat irgendwie keinen erkennbaren Bezug zu den enthaltenen Reimen, aber wer mit "Ich bin ein Schwein, weil ich nur an mich denk, | ein Ego, weil sich die Welt um mich dreht" eröffnet, dem verzeiht man alles. Das Outro hingegen ist fett, vielleicht auch deswegen, weil es sich auf einen Beat beschränkt.
Auch die Erstaufführung von "Die Räuber" soll seinerzeit für "rollende Augen" und "geballte Fäuste" gesorgt haben. Dass in 200 Jahren das "Bass Sultan Hengst-Jahr" zelebriert wird, ist vielleicht eher unwahrscheinlich. Dass Schiller sich allerdings angesichts solcher Reime im Grab umdrehen dürfte, hat nichts damit zu tun, dass der Berliner Ärsche bewegt ...
57 Kommentare
Des Album ist klasse, Prollrap, der es aber in sicht hat, leider wird Bass Sultan Hengzt immer nur nieder gemacht, was natürlich sehr schade ist, denn eigentlich ist der ja mal gar nicht so schlecht. Fette Platte.
ja muss ich auch mal zustimmen, obwohl das hier wohl eh kein mensch mehr liest...
@Rower (« Des Album ist klasse, Prollrap, der es aber in sicht hat, leider wird Bass Sultan Hengzt immer nur nieder gemacht, was natürlich sehr schade ist, denn eigentlich ist der ja mal gar nicht so schlecht. Fette Platte. »):
Genau meine Meinung
@Testave («
Ich denke mittlerweile beisst sich BSH in den Arsch, dass er nicht bei EGJ geblieben ist - selbst wenn er eig wirklich nicht reinpasst. »):
als egj künstler wäre er jetzt höchstwahrscheinlich die nr2 im deutschrapbizz!
@Sodhahn (« @Testave («
Ich denke mittlerweile beisst sich BSH in den Arsch, dass er nicht bei EGJ geblieben ist - selbst wenn er eig wirklich nicht reinpasst. »):
als egj künstler wäre er jetzt höchstwahrscheinlich die nr2 im deutschrapbizz! »):
mag sein er würde perfekt zur allgemeinen egj thematik passen und spielt natürlich raptechnisch klar auch paar ligen höher als ein kay one oder wie sie alle heißen
ich würde behaupten, ohne es wirklich zu wissen...es heisst: "hier kommt zweimal hertha-doppelpack", und somit hätte das ganze dann doch sinn, oder???