laut.de-Kritik
Heißer als die Hölle, Hölle, Hölle, Hölle.
Review von Toni HennigBei Casting-Gewinnern denkt man zunächst einmal an kurzlebige Eintagsfliegen. Jedoch scheinen in der Schlager-Branche ganz andere Gesetze zu herrschen. Seit Beatrice Egli 2013 aus der zehnten Staffel von "Deutschland sucht den Superstar" als Siegerin hervorging, findet sie sich mit ihren Platten regelmäßig in den Top 10 der Albumcharts des gesamten deutschsprachigen Raums wieder. Ein Ende der Erfolgsstory ist nicht abzusehen. Bei so viel Trubel benötigt man daher auch mal eine kurze Auszeit.
Die nahm sich die Schweizerin nach ihrer erfolgreichen "Wohlfühlgarantie"-Tournee im letzten Jahr schließlich in Australien. Dort erkundete sie nicht nur die lebhafte Natur, sondern kehrte außerdem mit neuen Songs für "Natürlich!", ihrem mittlerweile siebenten Solowerk unter ihrem vollständigen Namen, zurück. Das erscheint nun exakt an ihrem 31. Geburtstag. Die vierzehn Stücke versteht Egli als "das musikalische Tagebuch einer Reise, die ... jetzt erst anfängt". Zudem suggeriert uns der dazugehörige Promotext, dass die Scheibe "voller Experimentierfreude" stecke.
Jedenfalls setzt uns die Sängerin in "Le Li La" in Kenntnis: "Ich schwimm dem Strom entgegen." Davon hört man allerdings nicht viel. Stattdessen ertönen zumeist Synthie-Bummsbeats für die Après-Ski-Hütte und beliebige Arrangements, die ausnahmslos auf einen kraftvollen Refrain zielen. Der erklingt dann zum Schluss mehrmals, damit man ihn nach dem zwanzigsten Jägermeister noch mitsingen kann. Dazu gibt es noch die ein oder andere Piano-Ballade mit emotionaler Streicher-Glasur ("In Meinem Traum", "Zuhaus") und ein kurzer rockiger Ausflug ("Rock Mis Härz").
Immerhin wartet "Terra Australia" mit leichtfüßigem Sommer-Feeling auf. Da dürfen Didgeridoo-Klänge nicht fehlen. Warum sich jedoch karibische Pop-Einflüsse in diese Nummer verirrt haben, wissen wahrscheinlich nur die Sängerin und ihre Riege an Songwritern selbst. Über Klischees zu Down Under kommt "Auszeit" mit seiner ausgelassenen Akustik-Gitarren-Begleitung und seinem rhythmischen Getrommel auch nicht hinaus.
Was die Texte angeht gibt "Le Li La", das für "leben, lieben, lachen" (übrigens der Name eines Jürgen Marcus-Songs von 1973) steht, die Marschroute des Albums vor. Es mangelt zwar nicht an brennender Leidenschaft, wie "Verboten Gut" beweist, mündet dann aber stets in einem romantischen "Happy End". Immerhin heißt es in "Liebe Ist Eine Kissenschlacht": "Liebe ist kein Ponyhof." Das hinterlässt zumindest einen aufrichtigeren Eindruck als bei der Konkurrenz.
Ansonsten kann man sich vor guter Laune kaum retten. "Lass das Leben krachen" und "wir leben nur einmal und einmal ist keinmal" lauten die Botschaften in "Le Li La". Da möchte man tatsächlich an Wiedergeburt glauben, damit man wenigstens später als neugeborenes Wesen die Schlagerhölle nicht mehr ertragen muss. Da hat man aber die Rechnung nicht mit Beatrice Egli gemacht. "Nächstes Leben, selbe Zeit", da wartet sie dann "an einen unbekannten Ort". Nicht mal wiedergeboren hat man also Ruhe vor ihrer Musik. Da spenden Zeilen wie "nimm's doch nicht so schwer" und "schau doch nach vorn und nicht zurück" in "Lass Los" gar keine Zuversicht mehr.
Auch der stilistische Ausreißer "Rock Mis Härz" weicht keinen Millimeter vom vorhersehbaren Songwriting-Schema ab, tut aber als geradliniger Rock-Schlager, vorgetragen in Schweizer Mundart, nicht ganz so weh, zumal man sowieso nur wenig vom Text versteht. Da vernimmt man irgendetwas von "Guns N' Roses und Metallica", aber das wirkt dann doch recht hoch gegriffen.
Selbst die makellose und temperamentvolle Stimme der Schweizerin, die in bester Helene Fischer-Manier mühelos jede Tonlage stemmt, verpufft hier "Natürlich!". Spätestens mit dem einleitenden E-Gitarren-Gejaule in "Verboten Gut" sind dann jegliche Grenzen des schlechten Geschmacks überschritten. Wenn Beatrice danach zu Konserven-Beats "das ist heißer als die Hölle" skandiert, möchte man ohne zu Zögern mit dem Wolfgang Petry-Fan-Schlachtruf "Hölle, Hölle, Hölle, Hölle" kontern. So verboten mies wie dieses Stück hat man nicht einmal Petrys Musik in Erinnerung.
5 Kommentare mit 13 Antworten
Naja... Sie weiss schon welche Klientel darauf anspringt. Nix anderes ist das Ziel. Wer das kauft bekommt was er verdient.
Gibt es mittlerweile mal ein playboy shooting mit ihr?
Guter Beitrag!
Gute Frage.
Das Ergebnis eines Inspirations-Trip nach Australien ein beiläufig eingespieltes Didgeridoo ist, ist das alles, was man über Musik und Interpretin wissen muss.
Und wegen der zielgruppenkonformen Präsentation der neuesten Adler Mode Kollektion im Video gibt es noch nicht einmal etwas zu sehen, was es rechtfertigen würde, das Video ohne Ton anzuschauen.
- roter faden vorhanden (liebe)
- positive botschaft statt nihilismus
- interpretin ist thicc, lehnt vorherrschendes und ungesundes
körperbild des genres ab
- zitiert alte klassiker ohne abzukupfern
- passt sowohl zur gartenfeier unter lampions als auch zur aprés
ski party
kann die schlechte wertung nicht verstehen, bitte noch mal überprüfen.
meh
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
Überprüfung abgeschlossen. Bewertung bleibt.
Überprüfung gesichtet, Bewertung auf 0/5 Sternen korrigiert. Danke Steffen für deinen Input! Nur mit Hilfe der User können Bewertungen für bekackte "Musik" nach unten korrigiert werden.
Ist mir gar nicht aufgefallen wie moppelig die ist!
Ändert natürlich alles 5/5!
(Beatrice Egli) : -"passt sowohl zur gartenfeier unter Lampions..."
-"roter Faden vorhanden (Liebe)"
-"Interpretin ist thicc" ?
-"lehnt ungesundes Körperbild ab"
-"positive Botschaft statt Nihilismus"
DANK an Suzuki Steffen für diese äußerst erhellenden Ansichten ...weiter so !
so, werde jetzt nochmal in Ruhe reinhören...
und ...
"- roter faden vorhanden (liebe)"
Womit sie sich von gefühlt 95 % aller Schlager-Alben des Planeten ... wodurch genau abhebt?
"- positive botschaft statt nihilismus"
Welche Botschaft genau abseits von "wer an der Oberfläche schubbert, vermeidet tiefere Gedanken"?
"- interpretin ist thicc, lehnt vorherrschendes und ungesundes körperbild des genres ab"
Figur und diesbezügliche Einstellung muß mir beim Querhören des Albums durch die Lappen gegangen sein ... gibt's da Beispiele?
"- zitiert alte klassiker ohne abzukupfern"
Oder auch "- füllt Ideen-Lücken durch Anleihen bei anderen Künstlern auf"
"- passt sowohl zur gartenfeier unter lampions als auch zur aprés-ski party"
Paßt bestimt auch wunderbar zum Party-Konsum-schubweise-ins-Klo-Weiterleiten, zum überzeugten Mitklatschen bei der Niederkunft und zum unbeschwerten Suizid bei romantischer Beleuchtung.
Gruß
Skywise
Suzuki Steffen
TÜV: durchgefallen!
mir fällt dazu nur ein: wrömm, wrömm, mööp, mööp
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
@suzuki_steffen:
"leben, lieben, lachen-Natürlich! das sind sogar schon drei."
Reißbrettware nach Schema F, Fingerübung für Ali Zuckowski & Co., ohne echten Mut zum Risiko. Wer das für Leben, Liebe und Lachen hält, glaubt auch, "Puff" und "Nagelstudio" seien deckungsgleiche Begriffe.
Gruß
Skywise