laut.de-Kritik
Brillant, ob Schrei oder Soul.
Review von Manuel BergerSolche Momente würden sich die meisten für die Zugabe aufsparen: einen Song a-capella inmitten der Publikumsreihen vortragen. Beth Hart startet ihr Konzert am 4. Mai in der Londoner Royal Albert Hall auf diese Weise. Keine Instrumente, nur ihre Stimme schallt während "As Long As I Have A Song" durch den Saal, kräftig, sauber, ausdrucksstark. Es besteht kein Zweifel, was im Zentrum des Abends stehen wird.
Über 23 Songs und gut zwei Stunden hinweg zeigt Hart ihre beeindruckende stimmliche Bandbreite: von Hardrock ("For My Friends") über heimeligen Blues ("Close To My Fire") und Powerballaden ("Sister Heroine", "Waterfalls"), Uptempo-Rock'n'Roll ("Saved"), Country ("Spiders In My Bed"), hie und da ein paar Gospel-Anleihen, Soul ("Take It Easy On Me", "Leave The Light On") bis zum gefühligen Dialog mit der Gitarre im Melody Gardot-Cover "Your Heart Is As Black As Night".
Man lauscht einer völlig gelösten Künstlerin, die bereits im dritten Song "Lifts You Up" verspielt, aber immer zielführend vor sich hin improvisiert und in "Baby Shot Me Down" Screams herauspresst, um die sie mancher Extreme-Metal-Sänger beneiden dürfte.
Die Setlist gerät zur Achterbahnfahrt durch verschiedene Gefühlszustände. Auf das vor Spiel- und Tanzfreude übersprühende Trio "Bang Bang Boom Boom", "Good As It Gets" und "Spirit Of God", in dem Hart das Publikum anfeuert, folgen zum Beispiel das schwere "Baddest Blues" und "Sister Heroine", ein Abschiedssong für Harts verstorbene Schwester.
Kurz vor Schluss wird es besonders intim, als ihre Band die Bühne verlässt und Beth sich für die Balladen "Take It Easy On Me", "Leave The Light On", "Mama This One's For You", und "My California" ans Klavier setzt. So stehen noch einmal einzig ihre Stimme und Texte im Mittelpunkt, bevor es im Zugabenblock um Publikumsinteraktion geht. Die mitsingende, klatschende Menge schafft es im schön austarierten Mix auch ins heimische Wohnzimmer. Schon bei "Waterfalls" funktioniert das hervorragend, als Hart einen Call-and-Response-Chor initiiert.
Trotz aller gesanglicher Zelebration bildet auch Harts Band - John Nichols (Gitarre), Bob Marinelli (Bass) und Bill Ranson (Schlagzeug) - ein wichtiges Puzzlestück für einen rundum gelungenen Abend. Ohne die perfekt eingespielte und in Jams herrlich aufeinander reagierende Truppe (kein Wunder, lässt Hart sie doch gerne um die 100 Songs für eine Tour vorbereiten, um flexibel Setlisten basteln zu können) wären dynamische Gänsehaut-Epen wie das abschließende "Caught In The Rain" schlicht nicht möglich. Besonders Nichols glänzt mehrfach auch selbst. Dank Gitarrensoli wie das in "For My Friends" verfliegt der Wunsch nach einem Gastauftritt von Harts Lieblingskollaborateur Joe Bonamassa beim Hören ganz schnell.
Hart liefert mit "Live At The Royal Albert Hall" einen Überblick über ihr vielseitiges Schaffen, dank tollem Klang und variantenreicher Performance mit deutlichem Mehrwert zu den Studioaufnahmen. Egal ob Coverversion oder Eigenkomposition: Beth Hart packt ihr gesamtes Herzblut in die Songs. Das hört man in jedem Moment dieses Livealbums. In der übrigens keinen Cent teureren DVD-Version (inklusive Interview und Behind-The-Scenes-Footage) sieht man es sicher auch.
6 Kommentare
Kann mich der Rezi anschliessen, die Frau hat Power, Soul und Rock'n'Roll in jeder Faser ihrs Seins.
Eindrucksvolle Songauswahl und tolle Präsenz, kein lustloses Abhaken ihrer Setlist. Werde ich mir reinziehen.
Beth Hart ist eine Göttin. Bin froh, dass sie von den Drogen losgekommen ist (auch wenn die alten Aufnahmen aus dem Paradiso mich immer noch umhauen). Was mir fehlt ist ihr geniales "I´ll take care of you".
In der Tat ein brilliantes Live Album. Ob Soul, Blues Country , ihre Stimme ist extrem stark. Tolle Aufmachung des LP Covers. Vinyl im knalligen Rot , die Aufnahme wuchtig , die Live Atmospähre dezent und dennoch prägnant. In der Tat ein Album das 5 Sterne von mir bekommt.
Beth ist Rock und Blues Sängerin No. 1, sie lebt jeden Ton!
hiho, gefällt mir noch besser als mit JB in Amsterdam, sie scheint mir gelöster, mehr bei sich und die Stimme ist variabler, ist halt auch "ihre" Band dabei, tolles Konzert
Kleine Ergänzung: Unbedingt die DVD kaufen - die Band und vor allem diese in jeder Hinsicht tolle Frau auch visuell zu erleben, hebt das Ganze nochmal auf ein anderes Niveau