laut.de-Kritik
Ein Glücksschrei in Richtung Vergangenheit.
Review von Emil Dröll"Dream Into It". Ein ziemlich nichtssagender Albumtitel. Ein Slogan, der in den ersten acht der insgesamt neun Tracks des Albums im Dunkeln tappen lässt. Was will dieses Album? Nostalgie? Loslassen? Trauern? Es könnte alles sein, und vielleicht wusste es Idol selbst noch nicht, als er die Texte schrieb. Doch alles scheint auf diesen einen Track am Ende hinauslaufen.
Der Titeltrack bringt die Verwirrung gleich auf den Tisch. Synthetische Sounds, Billy Idols Stimme klingt femininer als gewohnt. Was ist hier los? Der verträumt klingende Brite blickt melancholisch zurück: ein Einblick ins Leben eines jungen Rebellen. Von Punk und Rock meilenweit entfernt, bewegt sich der Track irgendwo zwischen Indie-Rock und Dance-Vibes. Eine Attitüde, die eigentlich nicht zu den Lyrics passt: "Back when I knew hunger, I was just bored with a life to live".
Eine bittere Erkenntnis; ein Lebensstil, der nie genug zu sein schien. Die Einsicht im Jahr 2025? "I've only just begun". Ein Rückblick auf die Geburtsstunden des Musikers, Lebenshunger nun eingetauscht gegen Lebensweisheit – oder? Nicht so ganz, in "77 (Featuring Avril Lavigne)" prallen "zwei Generationen Rebellion" aufeinander. Rockig, punkig, Lavigne startet. Frech, eingängig und melodiös, mit Gitarre. Und kurz kommt dann auch mal die altbewährte Anti-Attitüde durch: "It's our lives in their hands".
Mit "Too Much Fun" geht es erst mal wieder solo weiter, der Track wirkt allerdings etwas überladen. Gitarre, Schlagzeug und Idol stehen zu gleichberechtigt nebeneinander. Es soll aber der einzige Song bleiben, der unstimmig wirkt. Billy klingt hier eher niedergeschlagen, während die Musik fröhlich rockig daher kommt. Eine beabsichtigte Antithetik? Keine Ahnung, spiegelt sich aber im Text wider. "Yeah, yeah, yeah, yeah, I wanna have too much fun", klingt nach Freude, birgt aber einen kritischen Blick auf die Drogen-Vergangenheit des Musikers, "Crashed my bike but I didn't die" vervollständigt die Memoiren.
"John Wayne (Featuring Alison Mosshart)" gibt sich dann wieder nostalgisch dem Draufgänger-Leben hin. Heavy und langsam, Idol singt in der tiefsten Stimmlage, die er zu bieten hat. Der beste Track des Albums bisher, langsam, aber böse. Ein Song, der einem Westernhelden würdig ist. "Cause tonight I'm gonna be John Wayne". Die alten Muster scheinen doch noch durch, klangen die Songs bisher doch eher nach einer Verteufelung der 'Bad-Ass'-Attitüde. Musikalisch klingt hier, genau wie stimmlich, alles perfekt, die Gitarre webt sich melodiös in einige Stellen des Duetts ein. Der ganze Song: wie eine Flucht in Idols Leben in den 80ern.
"Wildside (Featuring Joan Jett)" macht hingegen ein ganz neues Fass auf, ein Trennungslied, genauso bitter melancholisch wie reflektiert und sehnsüchtig konzipiert. "People I Love" klingt dann wie eine Entschuldigung. Eine Entschuldigung an all jene, die Idols impulsives Ich ertragen mussten; dessen Fehler, dessen Schattenseiten. Offene Akkorde mit etwas Radio-Rock, hier liegt der Fokus klar auf der Message und weniger auf der musikalischen Untermalung.
Bei "Gimme The Weight" geht es wieder umd die Vergangenheit: Partys und Drogen. Dazu: eintöniger Schlagzeugbeat und repetitive Gitarren. In "I'm Your Hero" klingt dann die komplette Verzweiflung durch. Schwankend zwischen tiefer Alter-Mann-Stimme und höheren Tönen. Welche Emotion der Rockstar hier vermitteln will, bleibt rätselhaft.
Mit "Still Dancing" folgt dann zum Schluss der große Knall, nicht umsonst die Leadsingle des Albums. Allerfeinste "Rebel Yell"-Vibes, eben nur mit "I'm Still Dancing". Ein Song wie ein Glücksschrei. Ein Schrei des Glücks, die 'Rebel'-Zeit überstanden zu haben. Idol beweist hier: Für punkige Vibes muss man kein Ausgestoßener sein, zumindest heute nicht. Das letzte geschmetterte "dancing" klingt wie eine Antwort auf die Frage, die das gesamte Album aufwirft.
Es entpuppt sich als ein 35-minütiger Glücksschrei mit Blick in die Vergangenheit. Keine Melancholie, pure Freude am Leben. Ein Album, das fast schon biografischen Charakter aufweist, das musikalisch zwar keine großen Überraschungen auffährt, aber eine Bandbreite an gelungenen Kollaborationen und Genre-Mixes abdeckt, was über neun Tracks viel Abwechslung und noch mehr Erinnerung bietet.
1 Kommentar mit einer Antwort
Ist bestimmt ermüdend, aber auch hier versaut Auto-Tune die Restmöglichkeit von Aufmerksamkeit. Besonders unter den Gitarren verschwindet die Stimme im Grunde.
In den meisten Fällen, in denen ich den Effekt gehört hab, würde ein Track davon profitieren, wenn er nicht so feige jede vermeintliche "Ungenauigkeit" ausmerzen würde. Voll legitim und Kunst, wenns Haiyti macht. Bei sowas wirkts mMn. überhaupt nicht.
Das ganze Album wirkt eindimensional, glattgebügelt und im Endeffekt einfach langweilig. Ich hatte mich sehr darauf gefreut, aber da bleibt leider auch nach dem zweiten Hördurchlauf nichts hängen. Sehr schade.