laut.de-Kritik

Die fette Produktion lässt der zarten Stimme kaum noch Raum.

Review von

Mit gerade mal 15 Jahren verzückte Jasmine van den Bogaerde halb Europa mit ihren intimen Piano-Coversongs, ihr selbstbetiteltes Debüt verkaufte sich über 1,5 Millionen mal. Sicher verdient ein solcher Werdegang Hochachtung und Respekt, doch das vielfach angeheftete Etikett 'Wunderkind' kam viel zu voreilig: Beim Anfang 2012 releasten "Birdy" handelte es sich - mit Ausnahme der soliden Eigenkomposition "Without A Word" - schließlich immer noch um ein Coveralbum.

Was in der Britin wirklich steckt, beantwortet nun das selbstgeschriebene Album. Und wenngleich die mittlerweile 17-Jährige die Schule vorerst abgeschlossen hat, erscheint "Fire Within" früher als gedacht.

Dass etwas mehr Zeit der großen Bewährungsprobe nicht geschadet hätte, legte die lasche Vorabsingle "Wings" jedenfalls erschreckend nahe. Schleppendes Midtempo, biederes E-Gitarren-Arrangement und beliebige Melodien: Das klingt zwar noch nicht nach Plastik-, aber nach Konsens-Pop.

Nur während der Strophe blitzt kurz die traute Zweisamkeit aus Stimme und Klavier auf, die Birdys Erstling ausmachte. Sie liebe diesen Klang zwar immer noch, beteuert die im Pressetext. "Aber ins Studio zu gehen und all diese neuen Sounds auszuprobieren, war einfach wunderbar." Dabei liegt genau da der entscheidende Fehler, den sie bzw. ihre Produzenten mit "Fire Within" begehen: Auf dem luftig instrumentierten Erstling entfaltete sich die zarte Stimme weitaus besser.

Mal ganz abgesehen vom überproduzierten Gesamtbild lässt sich auch das Durchschnittsniveau des Songmaterials nur schwer schönreden. Das tut zwar keinem weh, hebt sich aber schon gar nicht vom braven Radiopop ab. Was auch für die Lyrics gilt: "You light me up / when all I see is darkness / You light me up / when I'm down." ("Light Me Up") Ob man von einer 17-Jährigen überhaupt mehr erwarten kann?

Doch selbst "All You Never Say" oder "Strange Birds", die noch eher als Klaviersongs durchgehen, lassen den typischen Birdy-Vibe vermissen - was sicherlich auch der deutlich gereiften Gesangsstimme geschuldet ist, die vieles von ihrer Schüchternheit und Intimität auf der Strecke gelassen hat. Ihren Tiefpunkt findet die Platte mit der seichten, fast altbackenen Gitarrennummer "Maybe".

Tut sich dann doch mal die ein oder andere Nummer hervor, so handelt es sich bezeichnenderweise um eine Ballade: "Words As A Weapon" markiert mit Gitarren-Picking, Streichern und gelungener Melodieführung den Albumhöhepunkt. In eine hübsche Hookline mündet auch das sparsam instrumentierte "All About You".

Eigentlich schade, dass es Birdy auf ihrem zweiten Debüt so selten gelingt, eine derartige Atmosphäre herzustellen - ob sie dabei eher an Produktion oder Songwriting scheitert, sei mal dahingestellt. Die Hoffnung, dass der 1996 geborene Engländerin ihr erstes überzeugendes Album noch als Teenagerin gelingt, stirbt mit "Fire Within" jedenfalls noch nicht.

Trackliste

  1. 1. Wings
  2. 2. Heart Of Gold
  3. 3. Light Me Up
  4. 4. Words As Weapons
  5. 5. All You Never Say
  6. 6. Strange Birds
  7. 7. Maybe
  8. 8. No Angel
  9. 9. All About You
  10. 10. Standing In The Way Of The Light
  11. 11. Shine

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LAUT.DE-PORTRÄT Birdy

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14 Kommentare mit 12 Antworten

  • Vor 11 Jahren

    "Ob man von einer 17-Jährigen überhaupt mehr erwarten kann?"
    Also Lorde zB ist 16 und liefert ein paar der besten aktuellen Popsongs/lyrics ab, also ist der Satz kein Argument für gesenkte Erwartungen.
    Ich kenn nur 'Wings' weils momentan auf SWR3 etc ständig gespielt wird, und daran gemessen kann ich der Review schonmal nicht zustimmen. Werd dem kompletten Album mal nen Durchlauf geben denk ich.

  • Vor 11 Jahren

    Ich kenn' Birdy zwar nicht wirklich, aber ich kenn' Leute, die sie hören. Und das macht mir das Ganze schon von vorneherein unsympathisch.

    (Und das mit Lorde würde ich zwar so nicht ganz unterschreiben, aber die ist schon klasse. War ganz schön baff, als ich erstmals über die gestolpert bin.)

  • Vor 11 Jahren

    Ich muss zustimmen. Hätte mir mehr akustische Elemente anstatt Pop gewünscht. Sie hätte es garnicht nötig gehabt damit zu jonglieren. Die Single Wings find ich aber sehr schön und eingängig.

  • Vor 11 Jahren

    Bin seit heute am Kommentare mit lesen... Heiße Stimmung hier. Ich will auch!

    Birdy zählte für mich zu den Pop-Newcommern mit dem meisten Potential - auch wenn das Genre, das sie bedient, bestimmt überlaufen ist (wenngleich die Protagonisten "besser", oder "schlechter" sein mögen). Das erste Album war, bis auf wenige (3) Ausnahmen nichts anderes als das jetzt erschienene. Mit "Fire Within" hat das Schlachtfest für das Label begonnen - und wie immer bleibt die Individualität der Künstlers der Preis dafür!

    KillPop!

  • Vor 11 Jahren

    Ein wunderbar ausgewogenes Album, sehr schöne alternative Folk-Songs.

    Es ist mehr als nur ein Hut davor zu ziehen, dass man in so jungen Jahren schon ein derart hohes Potential abrufbereit hat, um auf so beeindruckende Weise aus der Feder zu kommen.
    Dass natürlich Hilfe zur Seite stand, braucht mir keiner zu erzählen, das habe ich auch gelesen. Ich kenne keinen Musiker mit Weltenruhm, der nicht die Unterstützung guter Studiomusiker und Co-Schreiber zu schätzen weiss.

    Die Bewertung hier bei laut.de interessiert mich dabei nicht im Geringsten und bleibt ungelesen, da Musik reine Geschmacksache ist.
    Jedoch schreckt schlechte Kritik auch mal den ein- oder anderen potentiell Interessierten ab - dies nur zur reinen Information inkl. kostenfreiem Appell an die Vernunft!

    Aber all denen kann ich beruhigend sagen: "Hört mal in's Fire Within'-Album hinein, es lohnt sich!" ...man kann Londons Abbey-Studios regelrecht raushören und das Stimmchen ist so herrlich herzergreifend, hach, einfach schön. Ich wünsche mir noch viel neues Material von Birdy, sie hebt sich wirklich von der ganzen langweiligen Mainstream-Pampe ab. Weiter so Jasmine!

  • Vor einem Jahr

    Der Nu:Logic-Remix von Wings ist endlich bei Spotify!! ♥ :laut:

    https://www.youtube.com/watch?v=-fCtvurGDD8