laut.de-Kritik
Management-Probleme haben auch etwas Gutes.
Review von Giuliano BenassiAls die Beastie Boys 1993 mit den Aufnahmen zu ihrem Album "Ill Communication" fast fertig waren, schnappte sich Ad-Rock ein übrig gebliebenes Bassriff von MCA. "So while you sit back and wonder why / I got this fucking thorn in my side / Oh my God, it's a mirage / I'm tellin' y'all, it's a sabotage", brüllte er seinen Frust ins Mikrophon. Adressat war der Produzent, der sich vom neuen Material wenig begeistert gezeigt hatte und sich kaum Mühe gab, seine Meinung zu verbergen. Ob Ad-Rock das 18 Jahre zuvor veröffentlichte Album von Black Sabbath im Sinn hatte, könnte man ihn bei Gelegenheit mal fragen.
Fest steht, dass es der Band um Ozzy Osbourne zu jenem Zeitpunkt noch schlechter ging. Sie plagte nicht ein wenig engagierter Produzent, sondern der Alptraum jedes Künstlers: Herauszufinden, dass man übers Ohr gehauen wurde. Als sie Ende 1974 ins Studio gingen, um ihr sechstes Album aufzunehmen, versuchten Sabbath, sich von ihrem Management zu trennen. Was zu einem wüsten Papierkrieg führte. Die Anwälte verfolgten sie bis in den Aufnahmeraum, womit sich der Titel erklärt - wie soll man kreativ sein, wenn man ständig Mahnungen, Drohungen oder Unterlassungen unter die Nase gehalten bekommt?
Auch bandintern war nicht alles im grünen Bereich. Seit ihrem Debüt "Black Sabbath" waren fünf Jahre vergangen, die die Band im Studio und on the road verbracht hatte. Aus den Tunichtguten aus Birmingham waren weltweit bekannte Stars geworden, die in Villen residierten und schnelle Autos fuhren. Mit gepumptem Geld ihres Managements, das wiederum den Löwenanteil der Bandeinnahmen eingesackt hatte. Dazu kamen Drogen- und Alkoholexzesse, die besonders bei Ozzy und Gitarrist Tony Iommi ihre Spuren hinterließen.
Die musikalisch treibende Kraft war wie gewohnt Iommi, der neben den Riffs diesmal auch die Produktion fast im Alleingang stemmte. Offenbar gefiel es ihm im Studio so gut, dass sich die Sessions endlos in die Länge zogen und sich Ozzy zu Tode langweilte, während hier ein Chor sang und dort noch eine Gitarrenspur hinzukam. Dennoch war es so etwas wie eine Rückkehr zu den Wurzeln, nachdem sie auf "Vol. 4" (1972) und "Sabbath Bloody Sabbath" (1973) vermehrt Keyboards eingesetzt hatten.
Schon der Opener "Hole In The Sky" hat alles, was ein gutes Sabbath-Stück ausmacht: Killerriff, bleischwerer Bass, wuchtiges Schlagzeug und Ozzy, der verzweifelt über etwas Bedrohliches singt. Schade nur, dass es nach exakt vier Minuten endet, obwohl es bestimmt noch zwei oder drei länger Minuten länger rocken könnte.
Im Studio gab es offenbar auch lustige Momente. Iommi machte sich einen Spaß daraus, den Tontechniker zu ärgern, indem er anfing zu spielen, bevor dieser das Aufnahmegerät eingeschaltet hatte. "Don't Start (Too Late)", das zweite Stück, ist eine kurze akustische Verschnaufpause, bevor mit "Symptom Of The Universe" ein Proto-Thrash-Stück aus den Lautsprechern dröhnt. Auch wenn zum Schluss noch eine flamenco-artige Einlage kommt, könnte man fast meinen, Metallica wären im Studio vorbeigekommen.
Die gab es damals noch längst nicht, dafür Led Zeppelin, die bei den Sessions vorbeischauten und sich ein paar Instrumente griffen. Oder doch nicht? So richtig kann sich keiner der Beteiligten erinnern, auch wenn "The Writ" stark an die Kollegen aus London erinnert, vom gruseligen Weinen zu Beginn abgesehen. In dem Stück schrieb sich Ozzy den Frust ob der Managementprobleme von der Seele und begleitete den Text mit wabernden Moog-Klängen.
Sein zweiter textlicher Beitrag - wie gewohnt war es Bassist Geezer Butler, der die meisten Lyrics schrieb - war "Am I Going Insane (Radio)", in dem sich Ozzy ebenjene Frage stellte. Es hätte das Zeug zum Bandklassiker gehabt, wäre das Arrangement nicht viel zu lieblich ausgefallen, fast schon poppig. Ein Versuch, das Thema "Depression" in die Charts zu bringen, vielleicht? Das "Radio" im Titel steht übrigens nicht für das Zielmedium, sondern kurz für "radio rental", ein Slang-Ausdruck für "mental", also "verrückt".
Ein weiteres Stück, das nicht so recht passen will, ist "Supertzar", ein Instrumental mit Chor, das nach Deep Purple klingt. Gedacht war es als Ankündigungsfanfare bei Konzerten, wozu es dann auch tatsächlich eingesetzt wurde, doch an dieser Stelle der Tracklist - in der Mitte von Seite zwei, - macht es wenig Sinn. Dennoch ist "Sabotage" ein solides Album, das keine wirklichen Klassiker hervorbrachte, mit "Megalomania" und "Thrill Of It All" (das an AC/DC erinnert), aber noch zwei weitere brauchbare Stücke liefert.
Diese Jubiläumsausgabe bietet nichts wirklich Neues. Neben den sauber remasterten Abmischungen enthält sie einen mitreißenden Auftritt aus Los Angeles vom August 1975. Auch kein unbekanntes Material, da das Konzert sogar gefilmt wurde und drei Auszüge, alle aus "Sabotage" ("Hole In The Sky", "Symptom Of The Universe" und "Megalomania") bereits 2002 veröffentlicht wurden. Der Rest, unter anderen "Iron Man", "Black Sabbath" und "Paranoid", erscheint offiziell zum ersten Mal, ist aber schon ewig als Bootleg zu haben. Die vierte CD ist im Prinzip unnötig, da sie kaum mehr hergibt als das Cover einer japanischen Single. Die zwei Stücke sind ja schon auf CD 1 enthalten. Eine DVD mit den Konzertaufnahmen wäre da interessanter gewesen.
Musikalisch haut diese Ausgabe also nicht aus den Socken, dafür gibt die Gestaltung einiges her. Mit Ausnahme des Covers, das sicherlich das schlechteste in der Bandgeschichte ist. Passend zum Titel ging auch bei der Fotosession vieles schief. Wie anschließend bei der Auswahl des Abzugs. Statt grimmig in die Kamera zu blicken, sehen die Mitglieder eher aus, als wollten sie sich auf einen Faschingszug aufmachen. Bill Ward trug sogar die Strumpfhose seiner Frau. Nicht wirklich furchteinflößend, was eigentlich die ursprüngliche Idee war.
Die Box enthält neben einem Poster mit den UK-Daten der damaligen Tour auch das Konzertheft eines Auftritts im Madison Square Garden in New York und ein fettes Booklet in Form eines gebunden Büchleins mit vielen Fotos und Zeitungsartikeln. Die sind teilweise so klein gedruckt, dass man schon gute Augen braucht, um nicht zur Lupe zu greifen, doch macht es einiges her, insbesondere in der Vinyl-Version.
"Sabotage" (von Beastie Boys und Black Sabbath) ist einmal mehr der Beweis, dass verärgerte Künstler durchaus brauchbare Ergebnisse liefern können. Nachdem sie sich in die Arme Don Ardens begeben hatte, ein weiterer anrüchiger Meister seiner Zunft, ging es steil bergab, bis Ozzy 1979 aus der Band flog. Was hätten sie mit mehr Geld gemacht, fragte sich der Sänger viele Jahre später in einem Interview. "Wir hätten noch mehr Drogen gekauft und wären längst tot", so die ehrliche Antwort. So hat es wenigstens doch noch zu einigen guten Alben und einer glänzenden Karriere gereicht.
3 Kommentare mit 3 Antworten
Paranoid, Vol 4 und SBS- das waren die Highlights in der stärksten Phase von Sabbath mit Ozzy; Sabotage hatte schon diese gurkig poppigen Glamrock Anteile der späteren Ozzy-Alben im Ansatz. Anfang der 80er stieg dann das nächste Highlight, diese Phase ging dann bis incl. Born again- Seventh Star passt da auch noch etwas rein; einfach weil es ein gutes Album ist. In den nachfolgenden Jahrzehnten mühte man sich redlich, aber es war aben nur Durchschnitt auf Albumlänge gesehen. Einzelne Songs konnten nach wie vor den Kopf über Wasser halten.
Bitte nicht das Highlight vergessen, mit dem es los ging, Black Sabbath.
ja, das ist nett, und für ein Deput stark. Erinnert aber auch wenig an Budgie, die zur gleichen Zeit losmusizierten.
Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.
2x Iommy und Thriller of it All. Welcher Maulwurf liest Korrektur?
inhaltlich schon gar keiner.