laut.de-Kritik
Ein neuer Sänger markiert auch einen neuen Anfang.
Review von Andreas DittmannEs ist immer knifflig, wenn Bandmitglieder aussteigen. Ein Schlagzeuger- oder Basser-Wechsel fällt dem gemeinen Hörer selten auf. Bei Gitarristen sieht das schon etwas anders aus. Wenn aber der Sänger die Band verlässt, ist das ein einschneidendes Ereignis. Auf einmal ist das Gesicht und die Stimme der Band weg. Ein neuer Sänger markiert auch einen neuen Anfang.
2008 verließ Aydo Abay die Koblenzer wegen 'interner Probleme'. 2011 kommt die Band zurück. Der neue Mann am Mikro heißt Mathias Reetz. Und der macht schon im ersten Lied klar, dass "Anima Now!" einen Neustart markieren will: "Start again!" sind die ersten Wörter die Reetz aus den Boxen singt.
Wirklich umgewöhnen muss der Fan sich aber nicht. Reetz klingt ähnlich wie Abay, er besitzt sogar in etwa die gleiche Klangfarbe und Stimmlage. Einige Melodiebögen erinnern stark an den ehemaligen Sänger. Dennoch verkommt Reetz nicht zum bloßen Klon. Seine Stimme ist eigenständig genug, um dem Blackmail-Sound einen neuen Anstrich zu verpassen. Er wirkt jetzt viel klarer und entschlackter.
Der musikalische Einfluss des neuen Mannes auf den Sound tendiert aber gegen Null. Blackmail bleiben Blackmail, daran ändert auch ein anderer Sänger nichts. Also ist "Anima Now!" eigentlich nur ein halber Neuanfang. Große Änderungen zum Vorgänger sind zwar spärlich gesät, machen sich aber richtig gut.
Einen ruppig und dreckig nach vorne treibenden Song wie "Resonant Wave", hätte man so auf den direkten Vorgänger nicht gefunden. Das Duett "Night School" besteht eigentlich nur aus Bass, Klavier, Synthie-Klängen und Drums. Ein Song der klar macht, wie wichtig eine geile Bassline ist. "The Whys Of The Ways" dagegen ist pompös mit Streichermelodien arrangiert und bietet eine richtig beschwingte Gesangsmelodie und durfte man so nicht unbedingt erwarten.
Ansonsten gibt's aber das auf die Ohren, was man von Blackmail erwartet und liebt: Pop-Melodien im Alternative-Gewand. Mal straight nach vorne rockend, mal eher zurückgelehnt und entspannt. "Deborah" ist ein gutes Beispiel hierfür. Die vier Herren haben es einfach immer noch derbe drauf, eingängige Refrains zu schreiben. So auch bei "Telescope" oder "Monographic Doll", dessen Melodie angenehm an "Never Forever" erinnert.
"Santa Rosalia" ist einer der interessantesten Tracks. Mit gedoppeltem Gesang und sanft angeschlagenen Akkorden wirkt er fast schon wie ein Chor-Lied. Zur Abwechslung erinnern Blackmail hier nicht an Placebo sondern an Simon & Garfunkel. "There's a space and there's a void. All your luck has been destroyed." Auch textlich bleiben sich Blackmail treu und klingen schön melancholisch.
Zum Abschluss noch ein kleines Detail: Da Schlagzeuger Mario Matthias kurz vor den Aufnahmen schwer erkrankte, konnte er die Platte nicht einspielen. Mittlerweile geht’s es ihm zum Glück wieder gut. Die Drums übernahm ein gewisser Anton Zaslavski. Fällt aber nicht auf. Einen Drummerwechsel nimmt ohnehin kaum jemand war.
11 Kommentare
Oh, wenn der letzte Absatz nicht noch für Diskussionen sorgt ...
(Wie heißt nochmal der neue Drummer von Dream Theater? )
Das Album gefällt mir richtig gut. Von der Grundstimmung her deutlich weniger düster als vergangene Blackmail-Alben. Und die neue Stimme macht sich auch recht ordentlich und ist fast ein bisschen vielseitiger als die von Abay. Wenn auch natürlich nicht mit so hohem Wiedererkennungswert.
Ich persönlich find das neue Album ja jetzt nicht sooo prickelnd.
Gutes Album, nur haben Blackmail nun leider jegliche Härte aus dem Sound gestrichen. Nichts desto trotz ein solides Album.
Man kann's sich im Moment komplett auf blackmail.de anhören.
Ich habe die Combo im Herbst bei einem Clubgig gehört und war entsetzt. Dieser Bubi ist sowas von blass, sowohl von der Ausstrahlung als auch stimmlich das für mich diese großartige Band leider gestorben ist. Das war das Niveau einer Schülerband. Abay war live auch nie ein stimmfester, aber dass ging mal gar nicht mehr.
Dieser Kommentar wurde vor 10 Jahren durch den Autor entfernt.
Jau ... gefällt, was ich da höre. Komplexer als die alten Sachen und auch frischer und für BM Verhältnisse fast schon saubere Produktion. Hat den Anschein, als hätte man sich fürs Schreiben mehr Zeit genommen ... Hab' am neuen Sänger auch nichts auszusetzen (zumindest auf Platte).
Ergo: Alles richtig gemacht, starke Platte!