laut.de-Kritik

Rasiermesserscharfe Songs, denen sich keiner entziehen kann.

Review von

Mann oh Mann, was habe ich mir da angetan? Kann dies die angepriesene Glückseligkeit (engl.: "bliss") sein? Das Album lässt keinerlei Zweifel zu: ja, "Bliss, Please" ist die Glückseligkeit in Person, pardon, in kleinem handlichen Silberlingformat!

Superlative sind immer zweiseitig, man kommt nie umhin, auch die Kehrseite der Medaille zu suchen und zu finden. Also lasse ich deshalb alle Übertreibungen lieber gleich weg. Blackmail mit ihrem dritten Werk (sieht man von einem letztes Jahr veröffentlichten Remix-Album ab) auf den Olymp des Musikhimmels zu hieven wäre eh nicht korrekt, sie bewohnen nämlich schon quasi den Aussichtsturm dort oben!

Vom Opener "Data Buzz" bis zum Ausklang mit "The Day The Earth Stood Still" wird man mit Gitarrenwänden konfrontiert, die einen nicht mehr los lassen. Trotz psychedelischer Umnebelung schwebt man nie nur auf einer (u.a. das CD-Cover zierenden) Fliege durch den Raum, man wird abwechselnd vom neuesten Eurofighter, vom Airbus, vom Zeppelin und vom Winde selbst durch die Luft getragen, gewirbelt, hin und her geworfen, wieder aufgefangen und hoch geschmissen.

Der Magnet, der den Kurs bestimmt, ist Aydo Abays einzigartige Stimme, den Antrieb bieten die anderen drei um Kurt Ebelhäuser. Sie schaffen in Liedern wie "Ken I Die" vier-minütige Zelebrierung der intensiven Art, man will Aydos Versicherung "It’s So Cosy In Hell" ungefragt Glauben schenken. Man spürt die Nadel gar nicht, wenn einem die Melodien unter die Haut injiziert werden, man folgt willenlos der Einladung "I Was Affected By The Latest Bliss/ Come On Over And Take The Risk" in der Hitauskopplung "Same Sane". Blackmail bieten so viel, da kann eigentlich gar nicht von einem Risiko gesprochen werden, nicht mal von einem Restrisiko.

Spacige Gitarren, jazziges Gebläse, ein in Hochform säuselndes Moog schaffen rasiermesserscharfe Lieder, denen sich keiner entziehen kann. Dass Blackmail uns mit endlos dichten Gitarren schier umhauen können, ist bekannt und wurde auch schon erwähnt. Doch auf "Bliss, Please" geht es um mehr. Hier taucht der Hörer ein in die wahre, echte Popmusik, in eine geradezu brutale, verstörende Härte. Man ist psychedelischen Endlosmonstern ausgesetzt. Jazztrompeten, Streicher und Vibraphone füllen den Raum, lassen gleichzeitig aber auch Platz für Improvisationen und Soundabfahrten, um aus dem Nichts wieder dicht und schnörkellos bis ins Mark zu klingen.

Blackmail haben ein großes Ziel: den ultimativen Popsong. Erreicht haben sie dieses Ziel vielleicht noch nicht ganz, auch wenn sie sich kräftig auf der Überholspur bewegen. Aber Kurt Ebelhäuser sagte einmal: "Es wäre doch wirklich schön, wenn sich ganz oben in der Musikszene mal was ändern würde und wir das hinkriegten". Meine persönliche Meinung dazu: wenn nicht jetzt durch "Bliss, Please" die Chance dazu ist, wann dann?

Trackliste

  1. 1. Data Buzz
  2. 2. Same Sane
  3. 3. Amelia
  4. 4. A Reptile For The Saint
  5. 5. For Sure
  6. 6. Emetic
  7. 7. By Any Method
  8. 8. Dee
  9. 9. The Small Saving Tar Pit
  10. 10. Frop
  11. 11. Ken I Die
  12. 12. Club 45
  13. 13. Sad Sauce
  14. 14. Permanently Temporary
  15. 15. Leave On
  16. 16. The Day The Earth Stood still

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