laut.de-Kritik
Narrensichere Fetenhitparade für Bierzelt, Club und Festival.
Review von Dani FrommPrinzipiell kann ein Spagat zwischen Genres überhaupt nicht schaden. Dass Volksmusik und Zeitgenössischeres, insbesondere Volksmusik und Rap, mitunter blendend harmonieren, das haben schon ganz andere bewiesen. Was auf den ersten Blick partout nicht zusammen passen will, entpuppt sich oft als echte Arsch-auf-Eimer-Kombination. Warum also nicht eine Bierzelt-taugliche Blaskapelle auf die Beine stellen, selbige - der auftraggebende Kräuterlikör machts möglich – durch die Clubs und über die Festivals schicken und gucken, was passiert?
Es kann im Grunde überhaupt nichts schief gehen, da die Blaskapelle auf "Move Your Brass!" das sichere Terrain nirgends verlässt. Ausschließlich Hits, die jeder kennt und entsprechend bereitwillig mitgrölen dürfte, finden Eingang ins Repertoire. Etwas abseitigere Nummern von Renato Carosone oder Antoine Duhamels "Belphegor's Theme" bekommen nur eine Chance, weil sie Yolanda Be Cool respektive (im besseren Fall) der Wu-Tang Clan oder (vermutlich doch nur) Culcha Candela dem Mainstream längst breiweich vorgekäut haben.
Die Songauswahl lässt kein Fitzelchen Wagemut erkennen, pflügt sich vielmehr einmal quer durch den Hitgarten und bedient sich unterwegs in sämtlichen Genreschubladen. Hip Hop, Pop-Schlager, Eurodance, Deutschrock: Alles darf mit. Das wirkt zwar planlos, grenzt aber immerhin nichts und niemanden aus.
Selbst das abschließende, titelgebende Medley reißt nur einen Gassenhauer nach dem anderen ab. Von Verdis "Aida" im Schweinsgalopp über die Pet Shop Boys, Das Bo, ein Fußballstadion und eine Großraumdisco zu Bizet und dem ausgelullertsten aller abgenutzten Silvester-Traditionals in gut drei Minuten: reife Leistung.
Die Trackliste mag sich wie die eines x-beliebigen Sommer-Fetenhits-Samplers lesen. Astreines Handwerk an den Instrumenten und nicht gerade knapp bemessene Spielfreude bringen trotzdem den einen oder anderen veritablen Knaller hervor. Das unsägliche "Mr. Saxobeat" kann man sich in der fluffigen Bläserversion endlich einmal schmerzfrei anhören.
"We No Speak Americano" und "Ey DJ / Monsta" grooven prächtig - letzteres allerdings nur, bis die durchgehend effektverschandelten Vocals einsetzen. Dann erscheint die Nummer urplötzlich so schlimm wie eh und je. Scooters "How Much Is The Fish?" in der Blaskapellen-Version dürfte mir dagegen gerne jemand auf Vinyl quetschen. Cowbells + Bläser + H.P. Baxxter = Vollabriss, jede Wette.
Der Verwunderungseffekt - huch, das geht ja auch mit Bläsern! - hält nicht sehr lange vor. Hat man den einmal überwunden, fährt "Move Your Brass!" keine großen Überraschungen mehr auf. Scheißtunes bleiben Scheißtunes. Ein guter Song bleibt ein guter Song, deswegen geht Alligatoahs "Willst Du" so widerstandslos ins Ohr wie "Türlich Türlich" ab, auch wenn in diesen Fällen eine Blaskapelle den Beat liefert.
Einigen im Original eher lummeligen Nummern wie den Sonnenscheinraps "Whatever" von Cro oder "30 Grad" vom Konfettizausel Fitti steht die pumpende Begleitung, weil sie für steifen Rückenwind sorgt. Auch Flo Megas Soul mit Seebärencharme passt verblüffend gut zur Bierzelt-Beschallung, wie "Du Bist Wie Eine Blume" zeigt.
Andere Interpreten dagegen haben zuweilen Mühe, sich gegen die vielköpfige Kapelle zu behaupten, so etwa Sido oder der eine oder andere Orson. Bei Scheußlichkeiten wie "Papaya" mit Alexander Marcus oder dem Gekeife einer Jennifer Weist hilft auch eine neue Verpackung nicht: Diese Titel bleiben auch im Brassband-Style unterirdisch. Der "Disco Pogo" lässt noch immer, wie es einst Kollege Alexander Austel formulierte, allerhöchstens "Atzen, Ischgl-DJs und Ballermänner" abgehen.
Live dürfte die Blaskapelle trotzdem problemlos funktionieren. Vermutlich klappte das sogar mit abseitigerem, am Ende gar eigenem Material. Das fände ich dann bestimmt mindestens so amüsant und zudem noch um Welten spannender als diese narrensichere Fetenhitparade.
1 Kommentar
Wer gibt für sowas Geld aus?