laut.de-Kritik
Erwachsen werden mit den Jungspunden aus Brighton.
Review von Amelie KöpplSie sind bekannt als die Meister des ultraschnellen Pop, des Schlagzeuginfernos und der gnadenlos vor die Füße geklatschten Texte, die nur so vor jugendlicher Unzufriedenheit strotzen. Mit dem was Laura-Mary Carter und Steven Ansell mit gedoppeltem Gesang, Gitarre und Schlagzeug hinbekommen, stehen sie schon seit Jahren ganz oben auf der Liste der Garage-Punk-Helden.
Langzeit-Ohrwürmer wie "I Wish I Was Someone Better" bescherten dem Duo aus Brighton massenhaft Fans und Clubtauglichkeit. Doch abseits von allem analogen Gefetze wagen sich die beiden nun an mehr Digitalität und Facettenreichtum. Was nicht heißt, dass sie
nicht immer noch die dreckigen Garagenkinder sind. Aber bereits der erste Track des dritten Albums beweist den Schritt nach vorn: "In Time To Voices" besticht durch mehr Tiefe, mehr Reife und vor allem mehr Ideen in Sachen Songwriting. "I can't find my way, already buried anyway.", heißt es in "Lost Kids".
Das spricht für die immer noch fest verankerte Thematik des Außenseiters, des sich befreienden Unterdrückten. Was aber zu keinem Zeitpunkt überholt wirkt. In "Cold" machen sie dann im wahrsten Sinne des Wortes einen Schritt aus ihrem alten Muster heraus:"Take a step outside in the daylight. I dont wanna fight for it all, to forget it, when we fall."
Das Interessante an "In Time To Voices" ist gerade dieser Bruch mit dem alten Image, mit dem sie erst nach Blood Red Shoes klingen. Schließlich ist "Je Me Perds" das Duo in konzentrierter Form: mehr Schlagzeug, aggressiverer Gesang, und noch mehr Prägnanz. Der lediglich 1:28 Minuten andauernde Track wirft alle guten Vorsätze über Bord, wenn sich die beiden nach dem Delirium wieder finden und "What the fuck am I doing here, lying face down to the floor?" ihr erster und einziger Gedanke zu sein scheint.
Auf ihrem neuen Langspieler sind die Blood Red Shoes eines auf jeden Fall: endlich neu. Wenn die vergangenen Alben schon mit Gedresche Eindruck schinden konnten, tut es dies nun mit einem gekonnten Wechselspiel von Zuckerbrot und Peitsche. Wie beispielsweise "Two Dead Minutes". Der plötzliche Einsatz von Synthies und endlos hallenden Effektspielereien begleiten den ohnehin schon kräftigen Sound der beiden Singstimmen. Dies
erfährt in "Silence And The Drones" seine Fortsetzung. Das sich immer wieder langsam steigernde Zusammenspiel von einzelnden Klängen, Stimmengewirr und Schlagzeug endet hier in einem fulminanten "Let me please forget."
Erwachsen werden kann jeder. Aber kaum jemand tut dies so stilvoll wie die zwei Jungspunde aus Brighton, die sich nun mit eingängingen Wortgefechten aus der Schlichtheit befreien und mit zusätzlich erworbener Fulminanz um sich werfen, als hätten sie die letzten zwei Jahre nichts anderes getan.
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