laut.de-Kritik
Black Metal: kosmisch, unheilvoll und andächtig.
Review von Ben SchiwekDer gute alte Black Metal bleibt im Meddl-Kosmos ein einzigartiges Werkzeug des Ausdrucks. Klar, manches davon soll auch einfach nur ballern oder a bissl schaurig sein. Aber gerade die mitunter impressionistische Ader dieses Subgenres macht Black Metal besonders. Es ist Musik, die sich oberflächlichen Gekloppes bedient und diese Oberfläche übersteigt, um bestimmte Gefühle einzufangen: die Übermacht der Natur, die Ästhetik steinerner Kerkerwände oder das heimsuchende Grauen im eigenen Kopf.
Das französische Projekt Blut Aus Nord hat in mittlerweile 30 Jahren oft transformiert, was es mit seinem atmosphärischen, mal Shoegaze-angelehnten, mal avantgardistischen Black Metal so einfangen will: zuletzt beispielsweise eine Album-Saga voller Lovecraft-inspiriertem Horror. "Ethereal Horizons" gehört nicht in diese Reihe, sondern widmet sich der Verbindung aus Irdischem und Futuristischem. Science-Fiction-artig mutet das Cover an, mit seinen hochragenden Steinmonumenten, es wirkt aber auch religiös, in jedem Fall übernatürlich – und das beschreibt die Musik ganz treffend.
Im Vergleich zum sludgy produzierten Vorgänger klingt "Ethereal Horizons" viel breiter, halliger und klarer. Zwar errichtet die Band Shoegaze-artige, dichte Klangmauern, aber diese erdrücken nicht wie dumpfer Matsch, sondern türmen sich prächtig glänzend auf. Dass alles so aufgeräumt und – für Black-Metal-Verhältnisse – sauber produziert ist, passt zur klinischen Sci-Fi-Ästhetik.
Was den kosmischen Vibe dazu unterstützt, sind zum einen die kometenhaften Post-Rock-Gitarrenlines, zum anderen die Prog-Tendenzen, die öfter durchscheinen. Komplexe Rhythmen und Taktwechsel – das Mathematische daran passt einfach zu Science-Fiction. Dass es nicht zu nerdig wird, liegt an der Abwechslung, die Blut Aus Nord innerhalb eines Songs präsentieren.
Müsste man ein erkennbares Muster grob zusammenfassen: Viele Stücke beginnen mit Black Metal und wechseln in der Mitte in progressive Teile – in Songs wie "What Burns Now Listens" mal in fast oldschooliges Heavy-Metal-Geriffe, mal wird es etwas ruhiger. Danach baut sich wieder ein Anfangsmotiv auf, und es endet in sanftem Post-Rock-Geklimper. Zum Glück folgen aber nicht alle Tracks der gleichen Formel.
Vor allem im Gesang zeigen Blut Aus Nord viele unterschiedliche Facetten: Mal schreit Vindsval, mal singt er melodisch, mal hört man tiefes Gegurgel, mal einen andächtigen Choral. In Verbindung mit den Themen und dem Vibe des Albums reflektieren die extremen Vocals etwas erschlagend Übernatürliches, die Chöre wiederum eine religiöse Imposanz und Ehrfurcht.
"Seclusion" fällt als besonderes Schmuckstück des Albums auf: Tremolo-Riffs und Blastbeats gewittern gewaltig, dennoch klingt vieles melodisch und atmosphärisch. Jeder Wechsel in einen neuen Abschnitt wirkt befriedigend, dabei überrascht besonders eine entfernte Orgel, wie aus alten Prog-Rock-Zeiten oder Dungeon Synth. Am wunderbarsten sind aber die gesanglichen Kontraste: Zu Beginn schwirren zitternde Stimmen wie eine Horde Geister links und rechts vorbei. Später wechseln sich finstere Growls und monoton betende Chöre ab.
Die vielen Melodien von Gitarre und Gesang machen das Album zu einer verdaulichen Mischung, "Shadows Breathe First" fällt sogar ziemlich catchy aus. "Twin Suns Reverie" verschafft eine kurze, wehmütige Ambient-Pause, um sich auf die abschließenden zwölf Minuten vorzubereiten. Da die Tracks ihre lange Laufzeit nicht unnötig überreizen, könnte "Ethereal Horizons" auch für Genre-Neulinge ein guter Einstieg darstellen. Starke Atmosphäre, vielfältige Soundästhetik, stringente Songstrukturen – die alten Hasen präsentieren ein rundes Album.


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