laut.de-Kritik

Der Sweetykiller kommt mit Rap wie anno '97.

Review von

Bo Flower hat sich ein schlaues Konzept abgekupfert: Ähnlich wie Franky Kubrick, der sich ein Jahr vor dem Albenrelease mit dem kostenlosen Download-Track "Du Blutest Voll" ins Gespräch brachte, gelang es dem Hamburger in diesem Jahr, mit 170.000 Downloads von "Tötet Sw***ty", Augen und Ohren der Rap-Hörerschaft auf sich zu lenken.

Wer diesen amüsanten Kreuzzug gegen Realityshows, Klingeltonvermarktung und Verdummung der Jugend nicht kennt, muss die letzten Monate irgendwo in der sibirischen Tundra verbracht haben. Um so erstaunlicher, den Rapper in der anfänglichen Selbstbeschreibung folgende Worte sagen zu hören: "Ohne Zeigefinger, ein Typ wie Du und Er". Aber Paradoxa sind ja bekanntlich Stilmittel.

Die Beats, dem Intro zufolge lediglich am heimischen Rechner entstanden, müssen sich absolut nicht verstecken. Klar, der synthetische Keyboardklang ist allgegenwärtig, aber das gleicht der Labelboss mit intelligenten Arrangements teilweise aus. Beispielsweise mit drei gegenläufigen Melodielinien, die "Auf Und Ab" zu einem Funk-Leckerbissen machen. "Das Leben dreht sich nicht nur um Essen, Trinken und Rauchen, nein es geht auch noch ums Ficken und Saufen! Vielen reicht das und der Horizont bis zum Stammtisch, nur scheisse, dass so mancher zum Denken verdammt ist."

Bo Flower zählt sich zu diesen armen Schluckern, obwohl der Beat von "Leben In Angst" nicht wirklich ein Indiz dafür ist. Hier wagt er sich in die finstere Frühzeit des Glamour-Rock vor, was logischerweise in die Hose geht. Auch die Hookline von Label-Goldstimmchen Deniz klingt mir persönlich deutlich zu stark nach Naidoo, und so entwickelt sich das Lied trotz eines guten Textes leider zu einem Skip. "Walkman" und "Beweg Dich" werden als poptechnische Unfälle registriert und ganz schnell wieder vergessen.

Obwohl einzelne Textpassagen ein wenig plump und parolenhaft wirken, so kann man zumindest nicht bestreiten, dass Bo Flower eine Menge Zeit mit dem Grübeln über aktuelle Geschehnisse verbringt. Auch konkrete Themen kommen zur Sprache: "Nichts Als Die Wahrheit" und "Wie Du Bist", Liebeserklärungen an die eigene Freundin, gehen Hand in Hand mit einer an die Ex-Homies in "Just A Dream". "Ihr Redet" kann sogar als eine Art Präventiv-Schuss des Hamburgers in Richtung der Taitalta-Fraktion gewertet werden, die ihn sicherlich gerne in die Ecke von Deichkind und Der Wolf drängen würde.

Bei "Never Ever", einem auf Dancehall gestylten Clubtrack, wartet TemmyTon mit elektrisierender Stimme und dem technisch besten Part der Platte auf. Genauer: dem einzigen Part, der nicht zu 95 Prozent auf Doppelreimen basiert. Was seine Texte einerseits sympathisch macht und seinen Style angenehm frech, entpuppt sich auf der anderen Seite als Bo Flowers größtes Manko: Der Rapper in ihm ist technisch auf dem Stand von 1997. Für Nostalgiker sicherlich eine gute Sache, aber ob er die heutige Rap-Hörerschaft damit erreicht und vor allem überzeugt, ist fraglich. Wenn Lisabelle allerdings so aussieht, wie sie bei der catchy Hookline vom Outro "A Dream Comes True" klingt, dann sehe ich da zumindest live kein Problem.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Die Show Hat Begonnen
  3. 3. Auf & Ab
  4. 4. Leben In Angst ft. Deniz
  5. 5. Tötet Sw***ty
  6. 6. Wach Auf
  7. 7. Nichts Als Die Wahrheit
  8. 8. Just A Dream
  9. 9. Ihr Redet
  10. 10. Walkman
  11. 11. Wie Du Bist ft. Deniz
  12. 12. Du Verstehst Mich
  13. 13. Never Ever ft. Temmy Ton, Mbiztrickall
  14. 14. Was?!
  15. 15. Tribute
  16. 16. Blickkontakt
  17. 17. Ein Traum Wird Wahr

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