laut.de-Kritik

Coke-Rap-Zwischengang macht satt wie ganze Mahlzeit.

Review von

Wie kann etwas so Konventionelles so frisch klingen? Das ist die Frage, die Griselda schon in den letzten Jahren aufgeworfen hat. Aber bei dem New Yorker BoomBap-Revival-Camp denkt man bislang nicht an den Detroiter Seelenverwandten, der jüngst in deren Roster aufgenommen wurde. Das lohnt sich aber, denn Boldy James hat derzeit ein Monsterjahr. Bereits das vierte Mal in einem Jahr (!) schmiedet er mit Produzenten Albumgold, sei es mit renommierten Legenden oder aufstrebenden Untergrund-Hoffnungen. 2021 steht der potentielle Siegeszug und die nächste Alchemist-Kollaboration im Raum. Deshalb gibt es nun noch einmal Restefeuer mit dem recht unbekannten Beatmacher Real Bad Man. "Real Bad Boldy" ist aber kein Flohmarkt, sondern die absolute Essenz des MCs.

"Real Bad Boldy" lässt an alle Künstler denken, die im letzten Jahrzehnt BoomBap richtig gemacht haben. Man möchte an Griselda denken, an Pro Era, an Army Of The Pharaohs und natürlich themenbedingt auch an Pusha T. Aber Boldy James ist nicht nur ein weiterer in einer Reihe von Postenwächtern eines Jazz-werdenden Subgenres. Boldy ist ein MC von herausragendem Hunger und bestechendem Skill. Was für viele andere der offensichtliche Haken an einem Projekt sein müsste - vier Alben in einem Jahr, was soll der denn noch zu sagen haben? - entpuppt sich hier als Stärke. Gemeinsam mit einem inspirierten Beatmacher findet Boldy über zehn kurzweilige Cuts zur Essenz seines Handwerks. Und wer den Sprechgesang mit so viel Muße, mit so viel zu teilender Freude betreibt, der wird so schnell nicht altbacken klingen.

Offensichtliche Highlights gibt es in Form von "Light Bill", auf dem ein farbenfrohes Akkordeon-Sample zu einem sahnebutterweichen Rapsong geschmolzen wird. Immer, wenn Boldy in das ansteckende Flow-Motiv seiner Hook einstimmt, wippt der Kopf reflexhaft. Hat er hier viel zu erzählen? Kaum. Es ist eher die Methode, die Selbstverständlichkeit, mit der der MC hier seine Bahnen über den Takt schwimmt. Die Stimme samtig, die Intonation blitzsauber, jedes Wort mit präziser Mühelosigkeit ausgesprochen.

Boldy ist, was man eigentlich nur ein komplettes Natural nennen kann. Er muss keine dramatischen Geschichten aufrollen, er will gar nicht in die Tiefe gehen, seine Schule des MCings gestaltet sich auf diesem Projekt allein über Ausstrahlung und Charisma. Seine Beobachtungen fügen sich intuitiv zusammen, seine Wortwahl zeugt von jahrelanger Tiefenbeschallung von Detroits echtem Leben und jede konventionelle Punchline sitzt. Wenn er zwischendurch dann nämlich mal "these n*ggas are all milk, no cereal" spittet, spürt man den Bauchschlag bei der Konkurrenz landen. 

So entstehen Highlights, die hängenbleiben: "Thousand Rocks" oder das sofort eingängige "Street Shit". Die Konstellation der beiden sorgt für ein best of both worlds-Szenario, in dem auch die konventionellste Beatarbeit und der klassischste Coke-Rap sich wieder anfühlen, als wäre sie gestern erst erfunden worden. Ein Album, von dem selbst Leute, die sich nie die FL-Demo heruntergeladen haben, Lust bekommen, Beats zu schrauben. Eins, an dem jeder Beat Zwiesprache mit dem Ausgangsmaterial und jeder Rap Zwiesprache mit dem Beat hält. So wenig "Real Bad Man" das Rad neu erfindet, so zementiert es Boldy nach seinem potentiellen Magnum Opus "The Price Of Tea In China" als einen der smoothsten, die gerade aktiv sind. Magnum Opus zumindest solange, bis dieses nächste Alchemist-Album auf den Markt kommt.

Trackliste

  1. 1. Real Bad Boldy
  2. 2. Light Bill (feat. Meyhem Lauren)
  3. 3. Thousand Pills (feat. Steve God Cooks)
  4. 4. Failed Attempt
  5. 5. Little Vicious (feat. Eto)
  6. 6. On Ten
  7. 7. Held Me Down
  8. 8. Street Shit
  9. 9. Good Foot (feat. Mooch & Rigz)
  10. 10. Champion

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